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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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um sich herum, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen – ein wenig Frohsinn und Trivialität, um die düsteren Nachwirkungen zu vertreiben, die er in den Eingeweiden spürte. Es war Jahre her, dass er Menschen hatte sterben sehen, seit er damals die Jugendlichen erschossen hatte. Auch die hatten es verdient, aber das machte es nicht leichter, es zu verarbeiten und hinter sich zu lassen. Die Erinnerung an den Tod blieb einem auf ewig erhalten. Er war froh, dass es jetzt nicht mehr so schwer war wie damals, als es für ihn noch mehr gegeben hatte, für das es sich zu leben und um das es sich zu sorgen lohnte. Er hatte mehrere Menschen auf dem elektrischen Stuhl sterben sehen, ihre Köpfe hatten unter den Hauben Feuer gefangen, und die Haut war ihnen von den Knochen geschmolzen wie Kerzenwachs. Er hatte gesehen, wie Polizisten Kriminelle erschossen oder wie Kriminelle Polizisten umbrachten. Und dann all die Menschen, die er getötet hatte: in Ausübung seiner Pflicht oder ein oder zwei Schritte darüber hinaus. Er wusste nicht, wie viele es waren – er konnte sich nicht dazu durchringen, sie zu zählen –, aber er erinnerte sich an jedes einzelne Gesicht, an die Blicke, mit denen sie ihn angesehen hatten. Manche hatten um ihr Leben gefleht, andere hatten ihn zum Teufel gewünscht, manche hatten gebetet. Einer hatte ihm vergeben, einer hatte ihn gebeten, seine Hand zu halten, und einer hatte ihm seinen letzten Atemzug ins Gesicht geblasen, er hatte nach verbranntem Schießpulver und Kaugummi gerochen. Sein Boss Eldon Burns hatte eine Liste der Menschen geführt, die er getötet hatte. Aber der war auch reichlich makaber in diesen Dingen, und er hatte ein Faible für Zahlen. Auf seinem Schreibtisch stand ein Glaskasten mit seiner Dienstwaffe. Im Griff waren Kerben, eine für jeden Getöteten. Max hatte sechzehn gezählt.
    Er fuhr am La Coupole vorbei und sah Huxley im Türrahmen stehen und mit drei Straßenkindern reden. Er parkte und ging zu ihnen.
    »Schön, Sie zu sehen, Max«, sagte Huxley herzlich, als sie sich die Hand gaben. Die Jungen, mit denen er sich unterhalten hatte, wichen ein paar Schritte zurück, der kleinste versteckte sich hinter dem größten.
    Huxley redete mit ihnen. Der größte antwortete. Er sprach schnell und aufgeregt, mit heiserer, kehliger Stimme, es hörte sich an wie ein Schwarm singender Spatzen, der sich auf einem Blechdach niederließ. Mit dem Finger und den Augen zeigte er auf Max.
    »Was sagt er?«, fragte Max und vermutete, dass er zu den verhinderten Angreifern gehört hatte.
    »Ich soll Ihnen sagen, das von neulich Nacht tut ihm leid«, sagte Huxley und zog verständnislos die Stirn in Falten. Max musterte den Jungen. Er hatte einen kleinen Kopf, auf dem nur wenige Haare wuchsen, und winzige Augen, die wie Onyxknöpfe schimmerten. Er sah eher verängstigt als reumütig aus. »Er sagt, er wusste nicht, wer Sie sind.«
    »Was glaubt er denn, wer ich bin?«
    Huxley fragte ihn. Im folgenden Wortschwall hörte Max den Namen Vincent Paul.
    »Er sagt, Sie sind ein Freund von Paul.«
    »Ein Freund? Ich bin kein …«
    Der Junge fiel ihm mit einem neuen Redeschwall ins Wort.
    »Er sagt, Paul hat ihnen aufgetragen, hier in der Gegend ein Auge auf Sie zu haben«, übersetzte Huxley und blickte beeindruckt drein. »Haben Sie ihn getroffen?«
    Max antwortete nicht.
    »Fragen Sie ihn, wann er ihn zuletzt gesehen hat.«
    »Gestern«, sagte Huxley. »Wollen wir was trinken, und Sie klären mich auf?«

    Huxley lachte, als Max ihm von den Ereignissen nach ihrer letzten Begegnung berichtete.
    »Sie hätten dem Jungen einfach mit etwas mehr Respekt begegnen müssen. Einfach nur Nein sagen, freundlich, aber bestimmt. Dann hätte er Sie in Ruhe gelassen. Sie belagern einen nicht«, erklärte Huxley. »So barsch mit jemandem umzugehen, der auf dieser Welt nichts zu verlieren hat, ist nicht sehr klug – und das in dessen eigenem Land, auf seinen eigenen Straßen zu tun ist ziemlich bescheuert, Max. Sie hatten Glück, dass Vincent Paul im richtigen Moment dazugekommen ist.«
    Die Bar war fast leer, es lief keine Musik. Auf dem Hof draußen standen mehrere Amerikaner. Es hörte sich an, als kämen sie aus dem Mittleren Westen, strohhalmkauende Kuhhirten auf Wochenende. Max hörte das Klicken, wenn sie den Abzug ihrer ungeladenen Ge­wehre zogen und dann die Magazine einrasten ließen.
    Max war bei seinem dritten Barbancourt. Die Portionen waren mehr als großzügig. Und wieder entfaltete der Alkohol

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