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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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egal.«
    »Und wieso ist er noch am Leben? Und läuft frei herum?«
    »Legenden sind stärker als der Tod, Max. Viele Leute haben immer noch Angst vor den Macoutes«, erklärte Chantale. »Nur ganz wenige sind je wegen ihrer Verbrechen vor Gericht gestellt worden. Und wenn, dann sind sie für eine Woche in den Knast gewandert, dann hat man sie wieder laufen lassen. Ein paar sind bei Unruhen getötet worden. Aber die meisten sind einfach verschwunden, haben sich in einen anderen Teil des Landes verzogen, sind ins Ausland oder in die Dominikanische Republik gegangen. Die Schlauen sind in die Armee eingetreten oder haben sich auf Aristides Seite geschlagen.«
    »Aristide?«, fragte Max. »Ich dachte, der war gegen die.«
    Inzwischen war es dunkel geworden. Sie waren die einzigen Gäste im Café. Der Deckenventilator drehte sich, und im Radio lief Kompas , laut genug, um die Geräusche, die von der Straße hereinplätscherten, und das Quietschen der Ventilatorflügel, die drinnen die tote, heiße Luft bewegten, zu übertönen. Zwischen der Musik und dem Gehsteiglärm hörte Max die wohlvertrauten Rhythmen der Trommeln oben in den Bergen.
    »Das war am Anfang«, sagte Chantale. »Ich habe an ihn geglaubt, wie viele andere auch. Nicht nur die Armen.«
    »Lassen Sie mich raten«, grinste Max. »Die bösen rassistischen Amerikaner wollten nicht noch einen Kommunisten vor der Haustür sitzen haben, schon gar keinen schwarzen, und haben ihn aus dem Amt jagen lassen.«
    »Nicht ganz«, entgegnete Chantale. »Aristide ist schneller zu Papa Doc geworden als damals Papa Doc selbst. Er hat seine Todesschwadronen losgeschickt, die seine Gegner zusammengeschlagen oder umgebracht haben. Als der päpstliche Nuntius die Vorgänge kritisierte, ließ er auch den verprügeln und auf offener Straße nackt ausziehen. Da fanden die Leute endlich, genug sei genug, und die Armee hat die Macht übernommen – mit dem Segen von Präsident Bush und der CIA.«
    »Und wieso war Aristide dann plötzlich wieder da?«
    »Bill Clinton wollte dieses Jahr wiedergewählt werde n. Seine Zustimmungsraten waren im Keller. Er musste etwa s tun, um seine Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen. Einen Präsidenten wieder einzusetzen, der durch einen Militärputsch aus dem Amt gejagt worden war, kam da gerade recht. Amerika als Hüter der Demokratie, auch wenn Aristide in Wahrheit ein dritter Duvalier in spe war«, erklärte Chantale. »Jetzt haben sie ihn an der Leine, und er wird sich benehmen, bis Clinton weg ist vom Fenster. Wer weiß, was dann passiert. Hoffentlich bin ich dann weit, weit weg«, sagte sie und schaute hinaus auf die Straße, wo ein UN-Fahrzeug angehalten hatte und der Fahrer irgendjemandem kistenweise Zigaretten überreichte.
    »Und wo wollen Sie hin?«
    »Wahrscheinlich wieder nach Amerika. Vielleicht nach LA. In Florida wartet nichts mehr auf mich«, sagte Chantale. »Und Sie? Was machen Sie, wenn Sie hier fertig sind?«
    »Ich habe nicht den leisesten Schimmer«, lachte Max.
    »Auch schon mal über einen Ortswechsel nachgedacht?«
    »Wohin denn? LA zum Beispiel?« Max sah ihr in die Augen. Sie senkte den Blick. »LA ist nicht mein Ding, Chantale.«
    »Ich dachte, Sie müssen alles mal ausprobieren, mindestens ein Mal.«
    »Ich kenne LA«, lachte er. »Ich hatte ein paar Fälle da. Ich kann die Stadt nicht ausstehen. Viel zu weitläufig, zu zerrissen. Ich habe doppelt so schnell gearbeitet wie sonst, damit ich schnell wieder abhauen konnte. Filmindustrie, Lebensläufe, Portraitfotos, Titten und Lügen. Alle wollen gleichzeitig durch’s gleiche Loch kriechen. Und viele bleiben auf der Strecke. Verlierer und zerbrochene Träume. Den Scheiß gibt es auch bei mir zu Hause, nur dass mir da manche sogar wirklich leidtun. Deren Leidensgeschichten sind immer ein bisschen anders. In LA lesen alle vom gleichen Blatt ab. Da wären Sie hier wahrscheinlich besser aufgehoben, bevor Sie da hinziehen.«
    »Hier bleibe ich keine Sekunde länger, als unbedingt sein muss.« Sie schüttelte den Kopf.
    »So schlimm?«
    »Nein, aber auch nicht viel besser«, seufzte sie. »Ich hatte gute Erinnerungen an meine Kindheit hier, aber als ich zurückkam, war alles, was ich kannte, verschwunden. Ich schätze, ich hatte wohl eine glückliche Kindheit. Das hat es umso schwerer gemacht, als Erwachsene wieder zurückzukehren, es war eine echte Enttäuschung.«
    Ein Pärchen kam herein und begrüßte den Kellner per Handschlag. Erste bis dritte Verabredung, schätzte Max, noch

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