Voodoo
dort anzukommen.
»Erzählen Sie mir von den Leuten, die Charlie haben.«
»Carl und Ertha. Ältere Herrschaften, beide über siebzig. Das gefährlichste Objekt, das sie im Haus haben, ist eine Machete, und die ist nur für Kokosnüsse. Carl war früher mal Priester …«
»Noch so einer«, bemerkte Max.
»… er stammt aus Wales. Er war sehr gut mit Allains Mutter bekannt. Er hat Allain zur Seite gestanden, als er als Teenager herausgefunden hat, dass er schwul ist.«
»Ist Carl auch schwul?«
»Nein. Sein Ding sind Frauen und alles Geisthaltige, das man in Flaschen kaufen kann.«
»Ist er deshalb aus der Kirche geflogen?«
»Er hat sich in Ertha verliebt, sein Hausmädchen, und hat von selbst gekündigt. Mrs. Carver hat die beiden unterstützt. Sie hat ihnen das Bauernhaus in der Nähe der Grenze gekauft. Allain hat dafür gesorgt, dass es ihnen nie an etwas fehlt. Das sind herzensgute Menschen, Max. Sie sorgen für Charlie wie für ihren eigenen Sohn. Er ist sehr glücklich da, ist regelrecht aufgeblüht. Es hätte sehr viel schlimmer kommen können.«
»Und warum ist es das nicht? Warum haben Sie ihn nicht umgebracht? Warum sich die ganze Mühe machen und das Risiko eingehen, erwischt zu werden, nur um den Jungen am Leben zu lassen?«
»Wir sind keine Monster, Max. Das war nie Teil des Plans. Außerdem mögen wir Charlie … das, wofür er steht. Gustav Carver mit seiner ganzen Macht und seinem Geld und seinen Beziehungen … und der alte Trottel wusste nicht einmal, dass das Kind nicht von ihm war, geschweige denn, dass es von Vincent Paul ist, seinem Erzfeind.«
Huxley halbierte die Geschwindigkeit, als sie nach Pétionville hineinfuhren. Im übervölkerten Ortskern, wo die Grenze zwischen Straße und Gehsteig unter den Menschenmassen nicht mehr zu erkennen war, verlangsamte er auf Kriechtempo. Schließlich fuhren sie den Berg hinauf, vorbei am La Coupole.
»Wie sind Sie auf uns gekommen?«
»Das ist mein Job«, sagte Max. »Erinnern Sie sich an das Video, das Sie in Faustins Haus deponiert haben? Das war der große Fehler. Ihre Fingerabdrücke waren drauf. So eine winzige Spur reicht meist schon, den fetten Fisch zu fangen.«
»Soll heißen, wenn das nicht gewesen wäre …?«
»Ganz genau«, sagte Max. »Sie hätten den Rest Ihres kümmerlichen Lebens damit zubringen können, an Ihrem Schwanz herumzuspielen … zumindest die Zeit, die Ihnen noch geblieben wäre. Nachdem Allain so fluchtartig das Land verlassen hat, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Vincent Paul Ihnen auf die Schliche gekommen wäre.«
»Morgen wäre ich weg gewesen«, sagte Huxley verbittert und packte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel hervortraten. Kämpferhände, dachte Max. »Vincent Paul wäre nie auf mich gekommen. Kaum jemand hat uns je zusammen gesehen. Und nur Chantale wusste meinen Namen … zumindest einen.«
»Steckt sie mit drin?«
»Nein«, sagte Huxley. »Ganz und gar nicht. Allain hat sie jeden Tag interviewt, wo Sie gewesen sind und mit wem Sie gesprochen haben. Aber sie hatte keine Ahnung, was wirklich dahinter steckte … Sie wusste nicht mehr als Sie.«
»Dann erzählen Sie mir doch mal, was wirklich dahinter steckte. Schön von Anfang an.«
»Was wissen Sie?«, fragte Huxley. Sie waren auf der tückischen Straße den Berg hinauf und fuhren gerade an einem Suzuki-Jeep vorbei, der im Graben lag. Auf dem Wagen spielten Kinder.
»In groben Zügen so viel: Allain und Sie haben Charlie entführt. Motiv: Gustav Carver schaden. Allain hat in erster Linie wegen des Geldes mitgemacht, aber auch aus Rache. Sie vor allem aus Rache und erst in zweiter Linie wegen des Geldes, aber vor allem aus Rache. Wie mache ich mich?«
»Nicht schlecht«, grinste Huxley. »Und wo soll ich anfangen?«
»Wo immer Sie wollen.«
»Okay. Dann erzähle ich Ihnen als Erstes von Tonton Clarinette, ja?«
»Nur zu. Ich bin ganz Ohr.«
66
»Meine Schwester hieß Patrice … ich habe sie immer Trice genannt. Sie hatte wunderschöne Augen, grüne Augen, wie Smokey Robinson. Katzenaugen und dunkle Haut. Die Leute sind stehen geblieben und haben sie angesehen, weil sie so schön war.« Huxley lächelte.
»Wie alt war sie?«
»Höchstens sieben. So etwas wie Alter und Datum und solche Sachen wusste damals keiner so genau, weil wir nicht lesen und nicht rechnen konnten. Genauso wenig wie unsere Eltern und deren Eltern, und wie alle Leute, die wir kannten.
Wir sind in Clarinette aufgewachsen, und wir waren
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