Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
Vom Netzwerk:
ansonsten eher süßlich und nichts sagend vorgekommen wäre.
    Die Musiker waren alte, gebeugte Männer in identischen Hawaiihemden mit Palmen vor einem Sonnenuntergang, wie es sie in Miami in jedem Billigladen zu kaufen gab. Ein Bongo-Spieler, ein Bassist, ein Keyboarder, ein Gitarrist und der Sänger, alle mit einem eigenen Verstärker, die hinter ihnen an der Wand standen. Max sah, wie sich manche Leute beim Gehen im Rhythmus wiegten, andere sangen mit.
    »Das ist › Haïti , Ma Chérie ‹, ein Klagelied der Exilhaitianer«, erklärte Wendy, als sie an der Band vorbei zum Eingang gingen, der aus zwei Türen bestand: eine für Haitianer und eine für Ausländer.
    »Hier trennen sich unsere Wege, Max«, sagte Wendy. »Ich habe beide Staatsangehörigkeiten. Spart einem jede Menge Schlangestehen und Papierkram.«
    Sie gaben sich die Hand.
    »Oh – und Vorsicht am Gepäckband«, sagte sie, als sie sich zur Passkontrolle anstellte. »Stammt noch von 1965.«
    Max bekam einen roten Stempel in den Pass und ging durch in den Ankunftsbereich, der sich, wie er feststellte, in der gleichen großen Halle befand wie Abflug und Zoll, Ticketkontrolle und -verkauf, Autovermietungen, Touristeninformation und Ein- und Ausgang. Überall waren Menschen – alte und junge, Männer und Frauen –, sie liefen hin und her, schubsten und drängelten und schrien wild durcheinander. Max sah ein Huhn durch die Menge flitzen, es gackerte aufgeregt und lief im Slalom zwischen all den Beinen hindurch, flatterte mit den Flügeln und schiss auf den Fußboden. Ein Mann rannte gebückt hinterher, die Arme vorgestreckt, und lief jeden über den Haufen, der ihm nicht rechtzeitig auswich.
    Max hatte Carver angerufen, bevor er an Bord gegangen war, hatte ihm die Flugnummer und die Ankunftszeit durchgegeben. Carver hatte versprochen, ihn am Flughafen abholen zu lassen. Jetzt schaute er sich vergebens nach jemandem um, der ein Stück Pappe mit seinem Namen hochhielt.
    Dann bemerkte er einen Tumult zu seiner Linken. Eine große Menschenmenge hatte sich am Ende des Ankunftsbereichs versammelt, alles drängelte und kämpfte sich nach vorn, alles brüllte durcheinander. Max erkannte, worum es ging: das Gepäckband.
    Er musste seinen Koffer holen.
    Er ging hinüber und versuchte zunächst, den Leuten höflich auszuweichen. Doch als er feststellen musste, dass er seinem Ziel so nicht näher kam, tat er, was die Haitianer taten, und schob und schubste und bahnte sich mit Ellbogen- und Schulterstößen einen Weg nach vorn. Er blieb nur einmal kurz stehen, um nicht auf das Huhn und seinen Besitzer zu treten.
    Als er sich vorgekämpft hatte, suchte er sich einen Platz, von dem aus er das ganze Gepäckband im Blick hatte. Es stand still und sah aus, als täte es das seit Jahren. Die verchromten Seitenwände waren mit Nieten befestigt, von denen sich viele ganz oder teilweise verabschiedet hatten, weshalb sich die Bleche jetzt mit gefährlich scharfen Kanten nach außen bogen. Das Band selbst, einst aus schwarzem Gummi, war bis auf die Stahlplatten abgenutzt, und nur hier und da klammerten sich noch ein paar Fetzen Gummi hartnäckig wie versteinerter Kaugummi ans Metall.
    Das Gepäckband war die Attraktion des Ankunftsbereichs mit den hohen, schmutzigweißen Wänden, dem dunklen Marmorfußboden und den riesigen, marode aussehenden Ventilatoren, die kaum einen Luftzug erzeugen oder die angestaute Hitze kühlen konnten, dafür aber jeden Augenblick abzustürzen und die Menschen unter sich zu enthaupten drohten.
    Bei genauerem Hinsehen stellte Max fest, dass das Gepäckband sich doch bewegte und dass tatsächlich Gepäckstücke herausbefördert wurden, aber so unglaublich langsam, dass die Koffer sich nur ganz heimlich und verstohlen Zentimeter für Zentimeter vorwärtsschlichen.
    Viele der Menschen, die sich um das Band drängten, hatten mit ihm im Flugzeug gesessen. Die Mehrheit jedoch war hier, um Koffer zu stehlen. Schnell hatte Max die Diebe von den echten Passagieren aussortiert. Erstere schnappten nach jedem Koffer, der in Reichweite kam, dann stürzten die wahren Besitzer hinzu, packten ihr Eigentum und versuchten es dem anderen zu entreißen. Die Diebe kämpften eine Weile, bis sie schließlich aufgaben und sich wieder zum Gepäckband vordrängten, um noch einmal ihr Glück zu versuchen. Ein reiner Selbstbedienungsladen. Kein Flughafenpersonal weit und breit.
    Max beschloss, nicht gleich zu Beginn seines Aufenthalts in Haiti jemanden niederzuschlagen –

Weitere Kostenlose Bücher