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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Schmauch am Körper. Ein ganz kleiner Fisch, der die zweite Stufe der Ghetto-Leiter noch nicht hinter sich gelassen hatte. Er trug noch die Gefängniskleider, weil er durch das Gewichtestemmen im Knast aus seinen Zivilklamotten herausgewachsen war. Er pumpte die Brust auf und setzte sein Knastgesicht auf, aber Max konnte die beginnende Panik in seinen Augen lesen, als er die Leute im Flugzeug in Augenschein nahm und zum ersten Mal die Luft von Freiheit ohne Bewährungshelfer schnupperte. Wahrscheinlich hatte er damit gerechnet, im Knast zu sterben.
    Die Haitianer ignorierten ihn, nur die Kanadier merkten allesamt auf und starrten die US-Marshals an, als erwarteten sie, dass einer von beiden zu ihnen kam und erklärte, was da vor sich ging.
    Was sie nicht taten. Vielmehr verhandelte einer der beiden, der mit dem Ziegenbart, mit einer Stewardess. Die Marshals wollten die drei Sitze in der ersten Reihe direkt neben der Tür, aber die waren schon besetzt. Die Stewardess zuckte mit den Achseln. Der Marshal zog ein Blatt Papier aus der Tasche und hielt es ihr vor die Nase. Sie nahm es, las und verschwand hinter einem Vorhang.
    »Ich frage mich, ob der Junge weiß, was für eine Schande er für seine Vorfahren ist. Nach Haiti zurückzukehren, wie sie damals gekommen sind – in Ketten«, sagte Wendy.
    »Ich glaube nicht, dass ihn das sonderlich schert, Mam«, antwortete Max.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Häftling angestrengt in eine nicht allzu weite Ferne gestarrt, ohne irgendwen oder irgendwas direkt anzusehen, aber anscheinend hatte er Max’ und Wendys Blicke gespürt, denn er sah in ihre Richtung. Wendy schaute sofort weg, als der Gefangene ihr in die Augen sah, aber Max erwiderte seinen Blick. Der Verurteilte erkannte seinesgleichen, lächelte leicht und nickte Max zu. Unwillkürlich erwiderte Max den Gruß, ebenfalls mit einem Nicken.
    Im Knast wäre das undenkbar gewesen – Kontaktaufnahme zwischen einem schwarzen und einem weißen Häftling –, außer es gab etwas zu kaufen oder zu verkaufen, meistens Dope oder Sex. Hinter Gittern hielt man sich an die eigenen Leute, da wurde nicht gemischt. So war das nun einmal und nicht anders. Die Stämme befanden sich in einem fortwährenden Krieg. Weiße waren die ersten, die von Schwarzen oder Latinos massenvergewaltigt, verprügelt oder umgebracht wurden; für die waren sie ein Symbol des Rechtssystems, das ihnen vom Tag ihrer Geburt an das Leben schwer gemacht hatte. Wer klug war, trainierte sich sämtliche liberalen Ansichten unverzüglich ab und kramte die alten Vorurteile wieder heraus, sobald die Zellentür hinter ihm ins Schloss fiel. Diese Vorurteile – der Hass und die Angst – konnten helfen, wachsam und am Leben zu bleiben.
    Die Stewardess kam zurück und verkündete den drei Fluggästen in der ersten Reihe, dass sie umziehen müssten. Sie weigerten sich, woraufhin die Stewardess erklärte, sie könnten in die erste Klasse umziehen, wo es Gratis-Champagner und mehr Beinfreiheit gab.
    Bei diesen Worten sprangen die drei von ihren Sitzen auf und sammelten ihre Sachen zusammen. Es waren Nonnen.
    Die US-Marshals nahmen den Häftling in die Mitte und setzten sich.
    Zehn Minuten später hob das Flugzeug vom Miami International Airport ab.

    Nach dem dichten, üppigen Grün Kubas und all der anderen kleineren Inseln, die sie überflogen hatten, wirkte H aiti – geformt wie eine Hummerzange, der die obere Klinge halb abg ekaut worden war – aus der Luft betrachtet reichlich fehl am Platz. Die trockene, rostfarbene Landschaft schien komplett frei von Gras und Blattwerk. Als das Flugzeug einen Bogen über die Küste der benachbarten Dominikanischen Republik flog, war die Grenze zwischen den beiden Ländern deutlich zu erkennen, die Insel so klar unterteilt wie auf einer Landkarte: ein knochentrockenes Ödland mit einer üppigen Oase nebenan.

    In der Nacht zuvor hatte Max nicht allzu viel geschlafen. Er war in Joes Büro gewesen, hatte sich erst die alten Akten über Solomon Boukman und den SNBC fotokopiert und dann die ehemaligen Gangmitglieder in der Datenbank aufgerufen.
    Boukman hatte den SNBC zwar gegründet, aber sämtliche Aufgaben delegiert. Er hatte zwölf Stellvertreter, die ihm allesamt treu ergeben und nicht weniger skrupellos und kaltblütig waren als er. Sechs dieser zwölf waren inzw ischen tot – zwei vom Staat Florida hingerichtet, einer in Texas, zwei von d er Polizei erschossen, einer im Gefängnis umgebracht –, einer saß eine Haftstrafe

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