Voodoo
von fünfundzwanzig Jahren bis lebenslänglich in einem Hochsicherheitsgefängnis ab, die übrigen fünf waren zwischen März 1995 und Mai 1996 nach Haiti abgeschoben worden.
Rudy Crèvecoeur, Jean Desgrottes, Salazar Faustin und Don Moïse waren von Boukmans Untergebenen die schlimmsten gewes en. Sie waren für die Disziplin zuständig gewesen, hatten über die Gang gewacht und dafür gesorgt, dass keiner sich etwas in die eigene Tasche steckte, mit den Bullen kooperierte oder am falschen Ort den Mund zu weit aufriss. Moïse, Crèvecoeur und Desgrottes waren außerdem direkt für die Entführung der Kinder verantwortlich, die Boukman bei seinen Zeremonien opferte.
Salazar Faustin war für das Drogengeschäft des SNBC in Florida zuständig gewesen. Zuvor hatte er den Tontons Macoutes angehört, der Privatmiliz der Duvaliers, und mit seinen Kontakten in Haiti ein hocheffizientes Schmugglernetzwerk bis nach Miami aufgebaut. Die Drogen wurden direkt von bolivianischen Herstellern gekauft und mit zweisitzigen Passagierflugzeugen nach Haiti geflogen, wo sie auf einer versteckten Rollbahn im Norden landeten. Dort wurden der Pilot ausgewechselt und das Flugzeug aufgetankt, dann ging es weiter nach Miami. Der US-Zoll machte sich nicht die Mühe, die Flugzeuge zu kontrollieren, weil man davon ausging, dass sie direkt aus Haiti kamen, wo keine Drogen angebaut wurden. Sicher in Miami angelangt, wurde das Kokain ins Sunset Marquee gebracht, ein billiges Hotel in South Beach, das Faustin zusammen mit seiner Mutter Marie-Félize gehörte. Im dortigen Keller wurde es mit Traubenzucker gestreckt und an die Straßendealer des SNBC verteilt, die es in ganz Florida an den Mann brachten.
Salazar und Marie-Félize Faustin waren wegen Drogenhandels zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Beide wurden am gleichen Tag – dem 8. August 1995 – nach einem tränenreichen Wiedersehen am Flughafen abgeschoben.
Das Flugzeug landete um 14:45 Uhr. Flughafenangestellte in marineblauen Overalls rollten eine weiße Treppe vor die Tür. Die Passagiere mussten zu Fuß über die Rollbahn zum Flughafengebäude laufen, einem schmucklosen, dreckigen Bauwerk mit rissigen, weiß gekalkten Wänden, einem Tower zur Rechten, drei leeren Fahnenmasten in der Mitte und dem Schriftzug »Welcome to Port-au-Prince International Airport« in kruden schwarzen Lettern über den Eingangstüren.
Der Pilot forderte die Passagiere auf zu warten, bis der Strafgefangene das Flugzeug verlassen hatte.
Die Tür ging auf. Die US-Marshals, jetzt beide mit Sonnenbrille, standen auf und führten den Häftling aus der Maschine.
Als Max aus dem Flugzeug trat, wurde er von der Hitze überrascht, die ihn wie eine schwere, luftdichte Decke einhüllte und sich nicht einmal von der leichten Brise vertreiben oder mildern ließ. Im Vergleich dazu waren die heißesten Tage in Florida regelrecht kühl.
Die schwere Reisetasche in der Hand, folgte er Wendy die Stufen hinunter und atmete die Luft ein, die ihm wie Dampf vorkam. Der Schweiß strömte ihm aus allen Poren.
Seite an Seite folgten sie den anderen Passagieren zum Terminal. Wendy bemerkte die Röte in Max’ Gesicht und den Schweißfilm auf seiner Stirn.
»Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht im Sommer hergekommen sind«, bemerkte sie. »Das ist wie ein Spaziergang durch die Hölle im Pelzmantel.«
Dutzende von Soldaten liefen auf dem Rollfeld herum – US-Marines in kurzen Ärmeln, die gemächlich und in aller Ruhe Kisten und Kartons in LKWs verluden. Die Insel gehörte ihnen, solange sie wollten.
Weiter vorn sah Max die Marshals, die ihren Häftling an drei gewehrtragende Haitianer in Zivil übergaben. Einer der Marshals ging in die Hocke und schloss die Fußfesseln des Häftlings auf. Von Max’ Standpunkt aus hatte es fast etwas von einer freundlichen Geste, als würde er seinem Schützling die Schnürsenkel binden, bevor er ihn an die anderen aushändigte.
Nachdem sie dem Mann die Ketten und Fesseln abgenommen hatten, stiegen die Marshals in einen wartenden US-Militärjeep und wurden zum Flugzeug zurückgefahren. Derweil redeten die drei Haitianer mit dem Häftling, der sich die Hand- und Fußgelenke massierte. Dann führten sie ihn zu einem Seiteneingang am anderen Ende des Terminals.
Vom Gebäude her kam Musik. Direkt neben dem Eingang spielte eine fünfköpfige Band ein nicht sehr schnelles kreolisches Lied.
Den Text verstand Max nicht, aber er spürte die Traurigkeit in der Melodie, die ihm
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