Vor aller Augen
muss alles wissen.«
»Er hat sie laufen lassen. Sie hat sein Gesicht gesehen, das Haus und auch das Auto. Er muss gewusst haben, dass wir ihn hier finden.«
»Meine Leute wissen, was sie tun«, unterbrach uns der Sheriff. Er klang beleidigt, weil wir ihn ignoriert hatten. » Ich weiÃ, was ich tue«, fügte der Sheriff hinzu.
Ich brach das Gespräch mit Mahoney ab und schaute Lyle an. »Hören Sie, wir wissen nicht, was uns drinnen erwartet, aber wir wissen, dass er damit rechnet, dass wir das Haus finden. So, und jetzt befehlen Sie Ihren Männern dort zu bleiben, wo sie sind. Das FBI-Team geht zuerst rein! Sie sind unsere Rückendeckung. Haben Sie damit ein Problem?«
Der Sheriff lief rot an und reckte das Kinn vor. »Allerdings, verdammt noch mal, aber das ist euch doch scheiÃegal, oder?«
»Richtig, es ist uns egal. Geben Sie jetzt Ihren Männern den Befehl, sich nicht zu rühren â das gilt auch für Sie. Es ist mir egal, für wie gut Sie sich halten.«
Ich ging mit Mahoney weiter. Er grinste und gab sich keine Mühe, das zu verbergen. »Mann, das war aber deutlich«, sagte er. Zwei seiner Scharfschützen beobachteten das Blockhaus aus gut vierzig Metern Entfernung. Ich sah, dass es ein ausgebautes Dachgeschoss hatte. Drinnen war alles dunkel.
»Hier HRT Eins. Irgendwelche Bewegungen im Haus, Kilvert?«, fragte Mahoney einen Scharfschützen durchs Mikrofon.
»Ich kann nichts entdecken, Sir. Was wissen Sie über den mutmaÃlichen Täter?«
Mahoney schaute mich an.
Meine Augen schweiften langsam über das Blockhaus und den Garten. Alles sah ordentlich und gepflegt aus. Elektrische Leitungen führten aufs Dach.
»Er wollte , dass wir herkommen, Ned. Das ist kein gutes Zeichen.«
»Sprengstoff?«, fragte er. »Gut, setzen wir das voraus und gehen entsprechend vor.«
Ich nickte. »Würde ich auch. Wenn wir falsch liegen, lachen sich die Ãrtlichen halb tot.«
»Scheià auf die Ãrtlichen«, sagte Mahoney.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung, jetzt, wo ich kein Ãrtlicher mehr bin.«
»Teams Hotel und Charlie, hier ist HRT Eins«, sagte Mahoney ins Mikrofon. »Es geht los. Fünf, vier, drei, zwei, eins los !«
Zwei der sieben Geisel-Befreiungs-Teams sprangen von der »Phase-Gelb-Linie« auf, welche die letzte Position für Deckung ist. Sie überrannten die »Phase-Grün-Linie« auf dem Weg zum Haus. Danach gab es kein Zurück mehr.
Das Motto des HRT für eine derartige Aktion war: »Schnelligkeit, Ãberraschung und gewaltsamer Zugriff.«
Die Männer waren darin sehr gut, besser als alles, was die Washingtoner Polizei zu bieten hatte. In wenigen Sekunden waren die Teams Hotel und Charlie im Blockhaus, wo der Kunstdirektor Audrey Meek über eine Woche gefangen gehalten hatte. Dann stürmten Mahoney und ich durch die Hintertür in die Küche. Ich sah den Herd, den Kühlschrank, Hängeregale und einen Tisch.
Keinen Kunstdirektor.
Keinerlei Widerstand.
Noch nicht.
Vorsichtig schlich ich mit Mahoney weiter. Im Wohnraum standen ein Holzofen, eine moderne Couch mit braunbeige gestreiftem Bezug und mehrere Clubsessel. Ein grünes Tuch bedeckte eine groÃe Truhe. Alles war geschmackvoll und ordentlich.
Kein Kunstdirektor.
Ãberall standen Leinwände. Die meisten Gemälde waren fertig. Wer immer diese Bilder gemalt hatte, besaà Talent.
»Alles gesichert!«, hörte ich jemanden rufen. »Hier drinnen!«, schrie eine andere Stimme.
Mahoney und ich rannten den Korridor hinunter. Zwei seiner Männer waren bereits im Schlafzimmer. Wieder waren überall Gemälde, mindestens fünfzig.
Auf dem HolzfuÃboden lag ein nackter Mann. Sein grotesker Gesichtsausdruck zeugte von Qual. Der Mann hatte die Hände eng um den Hals gelegt, als wolle er sich selbst erwürgen.
Das war der Mann, den Audrey Meek für uns gezeichnet hatte. Er war tot, und sein Tod war grauenvoll gewesen. Wahrscheinlich irgendein Gift.
Auf dem Bett lagen Papiere, daneben ein Füllfederhalter.
Ich beugte mich hinunter und las eine der Aufzeichnungen:
An wen auch immer...
Inzwischen werden Sie wissen, dass ich es war, der Audrey Meek gefangen hielt. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich es tun musste. Ich hatte keine andere Wahl. Davon bin ich überzeugt. Ich habe sie geliebt, seit ich sie zum ersten Mal auf einer meiner Ausstellungen in
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