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Vor aller Augen

Titel: Vor aller Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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Philadelphia sah. Wir haben uns an jenem Abend unterhalten, aber selbstverständlich erinnerte sie sich nicht mehr an mich. Niemand tut das je. (Bis jetzt zumindest.) Was ist die rationelle Erklärung für Besessenheit? Ich habe keine Ahnung, keinen blassen Schimmer, obgleich ich von Audrey sieben Jahre meines Lebens besessen war. Ich hatte mehr Geld, als ich ausgeben konnte, aber es bedeutete mir nichts. Nicht bis ich die Gelegenheit bekam, zu nehmen, was ich wirklich wollte, was ich brauchte. Wie konnte ich da widerstehen? Eine Viertelmillion Dollar erschien mir nichts im Vergleich zu Audrey, selbst wenn es nur wenige Tage waren. Dann ereignete sich etwas Seltsames. Vielleicht ein Wunder. Nachdem wir Zeit miteinander verbracht hatten, stellte ich fest, dass ich Audrey zu sehr liebte, um sie weiter gefangen zu halten. Ich habe ihr nie wehgetan. Jedenfalls nicht nach meiner Auffassung. Wenn ich dir wehgetan habe, Audrey, dann tut es mir Leid. Ich habe dich so sehr geliebt.
    Ein Satz ging mir nicht aus dem Kopf, nachdem ich das gelesen hatte: Nicht bis ich die Gelegenheit bekam, zu nehmen, was ich wirklich wollte, was ich brauchte. Wie konnte das geschehen? Wer war da draußen und erfüllte die Fantasien dieser Wahnsinnigen?
    Wer steckte dahinter? Mit Sicherheit nicht der Kunstdirektor.

Teil Drei
    Wolfsspuren

52
    Ich kam erst gegen zehn Uhr abends am nächsten Tag zurück nach Washington. Ich wusste, dass ich Jannie schwer enttäuscht hatte; wahrscheinlich waren alle im Haus auf mich sauer, abgesehen von Klein Alex und der Katze. Ich hatte versprochen, mit Jannie ins Schwimmbad zu gehen, aber jetzt war es zu spät, irgendwohin zu gehen – außer ins Bett.
    Nana saß bei einer Tasse Tee in der Küche, als ich heimkam. Sie blickte nicht einmal auf. Ich wich ihrer Gardinenpredigt aus und ging gleich nach oben, in der Hoffnung, dass Jannie vielleicht noch wach war.
    Sie war es. Mein kleines Mädchen saß auf dem Bett, umgeben von mehreren Illustrierten, darunter American Girl . Theo, ihr alter Lieblingsteddy, saß auf ihrem Schoß. Jannie war noch kein Jahr alt gewesen, und ihre Mutter hatte noch gelebt, als sie anfing, mit Theo einzuschlafen.
    In einer Ecke lag die Katze Rosie auf einem Haufen Wäsche. Um Nana zu entlasten, mussten Jannie und Damon ihre Sachen selbst waschen.
    Ich musste an Maria denken. Meine Frau war liebenswert und mutig gewesen, eine ganz besondere Frau, die aus einem vorbeifahrenden Auto in Southeast erschossen worden war. Diesen Fall hatte ich nie lösen können – ich
habe die Akte aber nie geschlossen. Vielleicht ergaben sich neue Erkenntnisse. So etwas ist schon vorgekommen. Ich vermisse Maria beinahe jeden Tag. Manchmal spreche ich ein kleines Gebet: Ich hoffe, du verzeihst mir, Maria. Ich tue mein Möglichstes. Aber manchmal scheint es nicht auszureichen. Wir lieben dich von ganzem Herzen .
    Vielleicht spürte Jannie, dass ich an ihre Mutter dachte, während ich sie beobachtete. »Ich habe mir schon gedacht, dass du es bist«, sagte sie.
    Â»Wieso?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Einfach so. In letzter Zeit funktioniert mein sechster Sinn ziemlich gut.«
    Â»Hast du auf mich gewartet?«, fragte ich und trat ein. Voriges Jahr hatten wir aus einem unserer Gästezimmer Jannies Zimmer gemacht. Ich hatte die Regale für die Tonmenagerie aus ihrer »Sojourner-Truth-Periode« gebaut: ein Stegosaurus, ein Walfisch, ein schwarzes Eichhörnchen, ein Bettler, eine Hexe, die an einen Pfahl gefesselt war. Außerdem für ihre Lieblingsbücher.
    Â»Ich habe nicht auf dich gewartet. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du heute überhaupt heimkommst.«
    Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante. Darüber hing ein Bild von Magritte, auf dem eine Pfeife zu sehen war. Die Überschrift lautete: Das ist keine Pfeife . »Willst du mich jetzt ein bisschen foltern?«, fragte ich.
    Â»Selbstverständlich. Ist doch logisch. Ich hatte mich den ganzen Tag aufs Schwimmbad gefreut.«
    Â»Es tut mir Leid.« Ich legte meine Hand auf ihre. »Ehrlich, es tut mir Leid, Jannie.«
    Â»Ich weiß. Das musst du gar nicht sagen. Es muss dir auch nicht Leid tun. Ich verstehe ja, dass das, was du tust, wichtig ist. Das habe ich kapiert. Sogar Damon versteht es.«

    Ich drückte die Hand meines kleinen Mädchens. Sie ähnelte Maria so sehr. »Danke dir, Süße. Das brauchte ich heute

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