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Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Vor dem Abgrund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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anderes und Angenehmeres zu denken. Doch ihr wollte nichts einfallen, und so ging sie rastlos vor dem Pub auf und ab und wartete. Erst als ein später Kneipenbesucher sie grinsend von der Seite anschaute und anzüglich die Augenbrauen hob, wurde ihr bewusst, dass man ihr unnützes Herumschlendern auch anders deuten konnte, nämlich als Warten auf Kundschaft. Und so zog sie sich rasch in eine dunkle Passage auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurück, wo sie sich auf eine Holzkiste setzte und den Eingang der Curtain Tavern im Auge behielt.
    Celia wusste nicht genau, wie viel Zeit verstrichen war, bis Heather und Maureen endlich erschienen, doch als sie gefolgt von der bärtigen Frau und dem riesigen Schlaks den Pub verließen, war Celia beinahe eingeschlafen und hielt sich nur noch wankend auf der Holzkiste.
    »Hättest bleiben sollen, Kleine«, wurde sie von Heather begrüßt. »Es ging noch richtig zur Sache.«
    »Das kann ich mir denken«, antwortete Celia und gähnte.
    »Komm, Schätzchen!«, sagte Maureen und winkte Celia zu sich. Sie schulterte eine große Reisetasche aus Leder und setzte hinzu: »Es ist nicht weit.«
    Bereits nach wenigen Minuten hatten sie die Luke Street erreicht. Dabei handelte es sich um eine kleine, dunkle Seitengasse, die vor allem von backsteinernen Lagerhäusern und ärmlichen Kontorgebäuden gesäumt wurde. Auch das Haus, vor dem Maureen nun Halt machte, war ein solches Lagerhaus, wie die vergitterten Fenster im Erdgeschoss, die Seilwinden im Dachgiebel und die großen Ladeluken auf jedem der vier Stockwerke bewiesen.
    »Hier wohnst du?«, fragte Heather und runzelte skeptisch die Stirn.
    Celia wunderte sich über Heathers abschätzigen Tonfall, denn immerhin wohnte sie selbst in einem Frauenasyl der Heilsarmee und verbrachte ihre Nächte in einer sargähnlichen Holzkiste.
    »Hier wohnen wir «, antwortete Maureen und deutete auf die bärtige Frau und den Riesen. »Luisa und Carlos sind ebenfalls hier untergebracht. Wie die meisten Darsteller aus dem Curtain. Aber meine Tage in der Luke Street sind gezählt. Nächste Woche bin ich weg. Dann habt ihr die Bude für euch allein.«
    »Was sagen?«, fragte die bärtige Luisa und wandte sich dann an den Riesen: »Qué hace?«
    »No sé«, sagte Carlos achselzuckend.
    »Das erzähl ich euch oben«, erwiderte Maureen und schloss die schwere Eisentür auf, die zu einem kargen und unbeleuchteten Treppenhaus führte. »Es gibt was zu feiern.« Und mit Blick auf Heather und Celia setzte sie hinzu: »Ihr seid natürlich herzlich eingeladen.«
    Die »Wohnung« der drei Bühnendarsteller befand sich im vierten Stock des Lagerhauses, direkt unter dem Dach. Im Grunde war sie nichts anderes als ein zugiger Verschlag, der mit groben Leinentüchern vom Rest des mit Stützbalken und Halbwänden versehenen Dachbodens abgetrennt war. Es gab noch weitere dieser Wohnwinkel auf dem Stockwerk, doch keiner von ihnen verfügte auch nur über eine Eingangstür.
    Maureen schob das bis zum Boden reichende Laken zur Seite und sagte: »Willkommen in unserem Zeltlager!«
    In einer Ecke des Verschlags lag eine Doppelmatratze auf dem Boden, in einer anderen Ecke eine einzelne Matte. Außer diesen Bettstellen gab es nur eine kleine Kommode, einen Waschzuber, zwei Stühle und einen winzigen Tisch, auf dem eine Petroleumlampe stand. Der Eisenofen in der Ecke hatte eine Kochplatte, aber kein Abzugsrohr.
    »Gemütlich«, sagte Celia höflich, da ihr nichts Besseres einfiel.
    »Brauchst dich meinetwegen nicht bemühen«, lachte Maureen. Sie entzündete die Lampe, stellte die Ledertasche, in der sie ihre Kostüme und Requisiten verstaut hatte, auf den Tisch und zog mit großer Geste eine Flasche Gin hervor.
    »Oho!«, jubelte Heather. »Was sehen meine entzündeten Augen?«
    Luisa und Carlos sahen sich verständnislos an, ließen sich aber ebenso wie die anderen einschenken. Da es nur drei Gläser gab, tranken Maureen und Heather aus großen Blechtassen, die bis oben hin gefüllt waren.
    »Und was gibt es zu feiern?«, wollte Celia wissen, nachdem sie an dem Schnaps genippt und die Miene verzogen hatte.
    »Eine neue Arbeit«, sagte Maureen und ließ sich auf ihre Matratze fallen. »Auf der Großen Bühne im People’s Palace. Für nur einen Auftritt am Abend, bei dreifacher Gage. Nächste Woche geht’s los.«
    »People’s Palace?«, wunderte sich Luisa und kraulte ihren Bart. »Du arbeiten?«
    »Im Mile End?«, setzte Carlos ehrfürchtig staunend hinzu. Selbst im Sitzen

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