Vor dem Fest
sich schreckliche Schlingpflanzen, und riesenhafte Hechte schwammen umher. Kam das Kerlchen heran an solche, so duckten sich die Pflanzen und flüchtete jeder Fisch. Nur jene scheußlichen Krebse hatten keine Angst. Das eine Bein, welches das Kerlchen geschickt zum Tauchen schlug wie eine Geißel, daran war kein Fuß von einem Menschen. Es hatte statt einer Ferse einen Huf.
Dem Fährmann wurde bang ums Herz. Auf diesen Lohn verzichtete er gern, allein, er war kein Mann, der leichthin sich aus der Pflicht entließ, und seine Pflicht hieß sichere Überfahrt. Um Mitternacht tauchte der Kleine wieder auf, das abgeworfene Bein zwischen den Zähnen wie einen wertvollen Fang. Er nickte dem Fährmann zu, die Reise konnte weitergehen.
Nach einem einzigen Ruderschlag legten sie an – es dämmerte schon. Der Gast zahlte den Fährmann fürstlich aus. »Dass du nicht aufgabst, dich nicht beschwertest und mir treu bliebst, will ich dir sonderlich lohnen.« Sprachs und verkündete, er werde den Fährmann schonen, die anderen jedoch, die gewagt hatten, an seinem See zu siedeln, würden die Ernte nicht erleben. »Es sei denn«, der Kleine zwinkerte, »du überredest sie, hier wieder fortzugehen.«
Der Fährmann weckte den Schulzen, um das Dorf durch ihn zu warnen. Der aber hatte auch sonst an den Anekdoten des Fährmanns keine Freude, und so schickte er ihn fort, ohne sich angehört zu haben, was er zu sagen hatte.
Der Krüger lauschte gebannt, meinte im Huf des Passagiers aber eine Wahrheit zu erkennen, die nur in Märchen wahr sein könne, und schenkte dem Fährmann eines ein zum Dank für gutes Erzählen.
So ging’s weiter: Der Hufschmied riet dem Übernächtigten, seinen Rausch auszuschlafen, die Ackerbauern hatten keinen roten Glanz auf dem See bemerkt und schworen gar, der Fährmann habe ganz allein mit seinem Kahn angelegt. Einige glaubten ihm vielleicht, sagten aber trotzig, hier hätten sie es gut, und nichts und niemand könnte sie vertreiben.
Während der Fährmann verzweifelt vom einen zum anderen lief, kehrten zwei Gesellen beim Krüger ein. Sie trugen die Kapuzen tief im Gesicht und sprachen wie im Fieber. Am Abend fand der Wirt sie tot, die Haut entstellt von wüsten Malen. Bald ging es ihm selbst ungut und anderen, die dort sich eingefunden hatten.
Die Weissagung des Gastes erfüllte sich. Die Krankheit raffte die Menschen in Windeseile dahin. Am Tag hob der Fährmann Gräber aus und wanderte zwischen den leeren Häusern, als glaubte er, wenn er nur suchte, ließe sich ein anderes Ende für diese Geschichte finden. Am Abend beweinte er sein Los. Des Nachts aber fuhr er auf den See und verkündete die Warnung aufs Neue, als gelte es, das Wasser und die Sterne zu überreden, diesen Ort zu verlassen.
Viel Zeit ist seitdem vergangen. Den Pestteufel gibt es nicht mehr. Alle dreizehn Jahre aber, an einem Abend im Herbst, schweigen die Frösche und schweigt der Wind und schweigt das Wasser und hört man ein Keuchen und das Geräusch schwerer Ruderschläge und eine heisere Stimme, die ruft:
»Sag, alter Mann, fällt dir das Rudern schwer?«
Dieses Jahr hat der Fährmann Ja gesagt. Weil das die Wahrheit war.
FRAU KRANZ STEHT KNIETIEF IM WASSER. Sie neigt die Staffelei, schaltet die Leuchte ein, verschiebt die Füße, bis die Staffelei auf dem schlammigen Untergrund gerade steht. Vorn hat Eddie vor Jahren einen Schirm angebracht gegen alle Wetter, den spannt sie auf. Frau Kranz ist gut gerüstet. Wir wissen, das Wasser ist kalt.
Ungefähr hier könnte sich eine von den sechsen umgedreht haben. Zum Ufer, zu den Eschen hin, zum Dorf. Vielleicht sah sie auch zum Fährhaus. Ana Kranz, am Fenster, rührte sich nicht.
An dem Tag oder an einem anderen versucht ein Rotarmist,einInfanterist aus Weißrussland, unter den Eschen ein Ferkel zu erwürgen. Die Kameraden rasieren sich gegenseitig in der Sonne, feuern ihn an. Er ist nicht der betrunkenste, er ist der jüngste, die Haut noch schlecht, der Bart noch Flaum. Das Ferkel fiept. Der Soldat steht aufrecht da. Die Mütze ist ihm vom Kopf gefallen. Sein helles Haar, die roten Wangen, zwischen den Händen das Ferkel. Der Rüssel ist auf der Höhe vom Soldatengesicht. Es dauert. Die Rufer werden müde. Nur der Infanterist ist noch zu hören, er keucht. Seine Beine sehen aus wie schlanke junge Bäume, die in den Stiefeln wurzeln. Er stöhnt, als würgte man ihn. Das Ferkel wird leiser, je lauter er wird, still erträgt es den Menschenwitz.
Ana Kranz, unter dem Kahn, rührte
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