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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saša Stanišic
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ins Krankenhaus fahren?«
    »Q! Was soll das! Distanz ist zu wahren!«
    »In Not tut’s not, nicht mit Nähe zu sparen.«
    Anna sieht von einem zum anderen.
    »Sag mal, reimt ihr?«
    Im Chor: »Reimen? Wir?«
    »Ihr–«, Annas Stimme versagt, sie sackt zu Boden. Unverzagt eilen die beiden herbei, helfen ihr auf und in den Wagen.
    »Mademoiselle, wir nehmen Sie mit.«
    »Sie sind ja dermaßen gar nicht fit.«
    Anna nickt, kann kaum noch sprechen. »Zum Gehershof. Kennt ihr?«
    Die beiden werfen sich einen Blick zu, der mehr spricht, als Anna versteht. Anna sieht zur Tür: Der Knopf ist oben, gut.
    »Die Gegend ist uns nur vage vertraut.«
    »Das GPS hat’s uns grad schon versaut.«
    »Krass«, Anna versucht, durchzuatmen. »Hier die Thälmann runter und auf die Landstraße, ich sag Bescheid.«
    Der Q Genannte wendet den Wagen.
    »Wo – wo kommt ihr denn her?« Versiegen lassen will Anna das Gespräch nicht, so schwer ihr das Sprechen auch fällt.
    »Von hier, von da, von unten, von oben. Hat Sie nicht zu interessieren.«
    »Henry! Du hast echt keine Manieren!« Und zu Anna: »Seien Sie dem Nörgler bitte nicht bös, so eine Nacht macht kapriziös. Sonst stimmt sein Werkmund Grafen nervös und manche Gräfin amourös. Oder war’s andersherum? Sei’s drum: es ist nicht leicht, zu kommen von Orten. Ihre Namen machen sie zu Worten, und auf die ist niemals Verlass.«
    »Ihr … egal …« Annas Augen tränen, ihr Atem knirscht unentwegt. Der Wagen wird schneller zum Ortsausgang hin –
    – und auch Herr Schramm beschleunigt gerade seinen Golf und schaltet bei Hundertdreißig die Scheinwerfer aus.

HERR SCHRAMM IST GESCHIEDEN OHNE KINDER , Herr Schramm hat keine Angst vor dem Tod, den Tod erlebt man nicht. Im Sommer war der Tod noch keine Idee, im Sommer wollte Herr Schramm es noch mal mit dem Leben versuchen, sich vielleicht verlieben.
    Frau Mahlke von der Partnervermittlung machte sich auf eine kleine Tour durch Brandenburg, Hausbesuch bei sechs Männern auf der Suche nach einer Zukünftigen, Bestandsaufnahme vor Ort. Herrn Schramms Termin war der letzte. Um fünf kam sie in Fürstenfelde an, etwas müde schon und schlechter gelaunt als noch am Morgen mit Pankower Spätsommer hell in der Luft, bevor sie losfuhr, raus fuhr aufs Land.
    Herr Schramm wartete mit einem Becher Kaffee vor dem Haus der Heimat. Seine ersten Worten waren »Schramm, erfreut«, danach folgte ein ruhiges: »Ja, sag mal, Wespen«, da sich eine auf Elisabeth Mahlkes gepolsterter Schulter ausruhen wollte, Herr Schramm ist ein pünktlicher Mann.
    Frau Mahlke hatte um ihr kleines Übergewicht einen Seidenschal geworfen in goldgelb und blasslila und ihren 59 Jahren eine recht enge Hose übergezogen. Herr Schramm gab der Hose einen Blick, der klar verriet, dass Herr Schramm sich nicht sicher war, ob so eine enge Hose jetzt sein müsse, aber gut.
    Für Frau Mahlke gab es eine Fahrt auf dem Tiefen See mit dem ältesten Kahn, der romantisch knarzt, darauf war sie nicht vorbereitet. Die kühle Brise über dem See tat ihrem warmen Kopf gut, sie zog die Schuhe aus und tunkte die Füße ins Wasser. Der Fährmann hatte was gut bei Schramm, es ging zu den Inseln raus. »Komm, Elisabeth, ich zeig dir die Seen und die toten Gehöfte« – »Bleiben wir lieber beim Sie, Herr Schramm.«
    Herr Schramm wollte der Partnervermittlung die guten und die nicht so guten Seiten von Fürstenfelde zeigen. Ehrlich sein wollte er, auch in Bezug auf sich selbst. Der Fährmann hatte es ihm empfohlen. Weil versprichst du einer Frau eine Lüge, so wirst du sie irgendwann enttäuschen müssen. »Du bist kein so guter Kerl, Schramm«, hat der Fährmann gesagt. »Aber Lügen würde dich richtig miserabel machen.«
    Frau Mahlke fragte Herrn Schramm, ob Stechmücken in der Gegend ein Problem seien, und Herr Schramm sagte: »Selbstverständlich.« Und: »Im Schnitt hunderttausend Mückeneier pro Quadratmeter Sumpf.« Und: »Wäre noch viel schlimmer ohne Fledermäuse.« Und: »Nach Finnland wollte ich trotzdem immer schon, da gibt es ja Seen, die hat unsereiner nicht gesehen. Es wäre zum Beispiel gut, wenn Sie mir jemanden finden, der mit mir nach Finnland will, ein bisschen was habe ich auf die Seite gelegt.«
    »Ja, wollen wir dann anfangen, Herr Schramm?«, fragte Frau Mahlke und packte den Fragebogen aus.
    Die Fragen zum Aussehen waren schnell erledigt: gern dunkelhaarig. Ja, schon kleiner, aber auch nicht zu klein. Ja, gegen Schminke habe er grundsätzlich nichts. Ja, gepflegt

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