Vor dem Fest
Hirtentäschel fegt sein Atelier. Morgen macht er es für Kunstinteressierte auf. In den letzten Jahren konnte er immer auch etwas verkaufen. Viel kommt nicht zusammen, aber es reicht, es reicht.
Kinder mögen seine Holzengelchen. Er präsentiert sie in der Badewanne: zwanzig kleine Engel auf zwanzig kleinen Booten mit vierzig kleinen Paddeln, und wenn ein Kind Interesse zeigt, taucht Uwe Hirtentäschel den Arm ins Wasser und macht Wellen, und die Boote geraten in Wallung.
IM JAR 1658, GEGEN MICHAELIS, wurde der Pfarrbrun, teils zur Bequemlichkeit, teils den Keller vor dem Annenfeste von Wasser zu befreien, gegraben, wobey man ein Stück abgehauenen Holtzes einer Hand gross gefunden. Da solches bis über 2 Mann tief gelegen, und zwar, daß man die verschiedenen Schichten der Erde eigentlich bemerken konnte: so weiß ich wenigstens bey Aufwerfung der Frage, wie das Stück Holtz so tief in die Erde gekommen, darauf nicht anders zu antworten, als daß solches ein Überbleibsel der Sündflut sei.
FRAU SCHWERMUTHS TELEFON KLINGELT. Hirtentäschel ist dran. Er möchte wissen, was sie gerade macht. Frau Schwermuth isst Mini-Karotten und guckt Buffy. Hat Hirtentäschel sich gedacht, und damit meint er nicht das Gemüse und die Vampirjägerin , sondern dass das nicht Frau Schwermuth ist, mit der Taschenlampe im Haus der Heimat. Moment. Jemand ist in der Heimat, jetzt? Ja, jetzt. Hirtentäschel guckt jetzt gerade runter, und jemand schleicht in der Heimat herum. Schleicht? Ja, vielleicht schleicht er, macht jedenfalls kein Licht. Und noch was, davor ist auch die Geher Anna vor der Heimat zusammengesackt, dann kamen zwei, so ein langer Lulatsch und ein kleiner Dicker, und haben ihr geholfen. Und davor ist, er könnte schwören, ein Fuchs – Uwe? – aus dem Haus – Uwe! Bleib mal bitte bei der Sache! Kann er wen erkennen? Nur eine Silhouette, groß, schlank. Es ist dunkel, und sie weiß ja, seine Augen. Ja, Uwe, du hast doch eine Brille! Natürlich hat er eine Brille! – Ja, wir sind jetzt doch zu ungeduldig, die beiden kommen einfach nicht zum Punkt, dabei ist der Punkt ganz einfach, wenn in der Nacht in einem Gebäude das Licht einer Taschenlampe oder einer Taschenlampen-App über die Wand wandert und ein eingeschlagenes Fenster offen steht, wobei, das mit dem Fenster hat der Hirtentäschel noch gar nicht bemerkt, wie es scheint.
Uwe, wart mal, Frau Schwermuth räuspert sich. Jemand ruft gerade an, bleib mal bitte in der Leitung –
– Uwe, entschuldige. Du, das war grade der Zieschke. Die Sache hat sich erledigt. Der Strom ist mal wieder ausgefallen … Ach, keine Ahnung, die Mäuse wieder oder der Blitzschlag vorhin … Nee, der macht morgen die Heimat, ich bin ja erst mal beim Radfahren … Weiß ich nicht, vielleicht irgendwas für die Auktion.
Sagt Frau Schwermuth, und dass sie gleich rübergeht und dem Zieschke den Schlüssel zum Sicherungskasten bringt. Ja, nee, alles gut, und ob alles klar sei mit Hirtentäschels Vortrag für Kaffee und Kuchen. Ja, schön. Du auch, danke. Danke, Uwe. Ja. Ja. Gute Nacht.
Frau Schwermuth räuspert sich. Frau Schwermuth isst eine Mini-Karotte. Ihre Pupillen wandern von extrem links nach extrem rechts.
DIE STRASSENLATERNE VOR DER HEIMAT IST AUS. Das Tor zur Einfahrt sollte nicht offen stehen. Johannleuchtet mit dem Telefon hinein. Auf dem Boden liegen Scherben. Die Scheibe ist kaputt, das Fenster steht offen. Die Gardine hat Mu gehäkelt.
Er sollte da nicht rein, er klettert da rein. Das hätte weder Lada, noch Suzi, noch sein Halbelf gemacht. Das Licht geht nicht. Andererseits wären Lada und Suzi und vor allem Meerrettich-Micha auch eher Kandidaten, um so ein Ding hier zu drehen. Welches Ding überhaupt? Labern jedenfalls manchmal davon. Nicht vom Haus der Heimat natürlich, was gibt’s hier auch zu holen? Johann leuchtet mit der Taschenlampen-App ins Vorzimmer. Blätter, nicht sehr viele, liegen auf dem Boden, wie von einem Windstoß gestreut. Für Meerrettich-Micha wäre es nicht das erste Mal – frag mal Tanken-Lütti in Woldegk. Zweimal hat er den überfallen. Gasknarre und Elvis-Maske, aber sobald er den Mund aufgemacht hat, wusste Lütti, dass da der Micha unter der Maske steckt, die kannten sich quasi, seit ihre Väter sie vor ihrer Geburt verlassen hatten, ihre Mütter sind heute noch beste Freundinnen. Lütti hat sich beide Male nichts anmerken lassen, um Micha nicht zu kränken. Ein Jahr später hat Micha ein Versöhnungsbesäufnis organisiert und sich bei
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