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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saša Stanišic
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unterirdisch fortsetzt, gern einen halben Meter tief. Der Fuchs gräbt schnell und gekonnt. Das Mäuerchen zieh nicht zu hoch, die Hühner brauchen Licht und sollten auf die andere Seite sehen können. Kunstlicht macht sie nervös.
    Durden ließ den Garten neu anlegen. Er wollte mehr Ordnung, mehr Kürbis und Melone, weniger Brombeere und überhaupt Beere, weil Beeren Kinderkram sind. Die Ziege mochte er zwar nicht, aber er behielt sie, weil sie seine Hand leckte, auch wenn nichts drin war.
    Eines Tages fuhr er mit der Ortssparte der Kleintierzüchter zur Bezirksschau nach Sarow und sah Dietmar Dietz, genannt Ditzsche, mit seinem Zwerg-New-Hampshire das Wettkrähen mit 151 Krähern pro Stunde gewinnen und dann auch noch mit einem blau-porzellanfarbigen Federfüßigen das grüne Siegerband, Kategorie »Zwerghuhn«.
    Jetzt wollte auch Durden Zwerghühner.
    Ditzsche glaubte an einen Witz, aber Durdens Augen glänzten. Der Bürgermeister schlenderte an den Volieren entlang, Gefieder schimmerte in den wunderbarsten Farben, und er zeigte hier und dort wortlos auf eines der Tiere, das ihm besonders gut gefiel.
    Ditzsche wollte es ihm ausreden: Der Aufwand wäre enorm, Rassezüchtungen verlangten Fürsorge, Erziehung und, ja, Liebe.
    Die Erziehung, Durden griff nach einer Henne, sei kein Problem. Und Liebe verspüre er seit heute jede Menge für die stolzen Tiere.
    Ditzsche mochte es nicht, wenn jemand Hühner stolz nannte. Die geschwellte Brust, der erhobene Kopf, der stramme Gang sind einfach: geschwellt und erhoben und stramm. Hühner haben Körperhaltung, aber keine Geisteshaltung.
    Der Bürgermeister blieb vor einer Voliere stehen, in der ein einsamer Hahn, blauschwarz, mit goldenem Rücken und feurig leuchtendem Kamm, nachdenklich im Kreis flanierte. Der kleine Mann verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging um die Voliere, den Hahn unwillkürlich imitierend.
    »Ein Altenglischer Zwerg-Kämpfer«, sagte Ditzsche.
    »Altenglisch«, flüsterte Durden. »Kämpfer«, flüsterte er. »Wie viele Hennen braucht einer wie er?«
    Der Hahn starrte Durden oder den Himmel über Durden an und plusterte sich auf. Die Entscheidung war gefallen.
    Wenn du ein Hühnergehege baust, denk über Strom nach. Wisse aber, dass ein Stromschlag den Fuchs irritiert, aber nicht für immer vertreibt. Füchse geben nicht auf, bevor sie an ihre Grenze gelangt sind. Rechne mit mindestens 3500 Volt. Die Stromlitze wird von außen angebracht. Nur Hühner, die das Gehege verlassen, sind davon bedroht.
    Durden wollte für seine Hühner ein Gehege errichten. Ditzsche bot an, ihm zu helfen, und warnte ihn vor dem Fuchs. Dann müsse das eben sicher werden, sagte Durden. Ditzsche erklärte ihm Hühnerhaltung, erklärte ihm den Fuchs. Durden zeichnete einen Plan. Ditzsche verbesserte den Plan und besorgte die Materialien. Gemeinsam bauten sie das Gehege auf. Zwei Tage später wurden die Hühner geliefert. In der folgenden Nacht wurden drei gerissen.
    Nachdem Durden am Morgen das Massaker entdeckt hatte, ließ er Ditzsche zu sich bringen und verlangte nach einer Erklärung. Ditzsche studierte den Tatort. Die Hühner waren im Stall getötet worden. Der Zaun war heil, der Boden wies keine Löcher auf. Dann bemerkte Ditzsche die Ziege. Sie graste beim Zaun, Durden hatte sie über Nacht an den Eckpfeiler gebunden. Ditzsche untersuchte das Tier. Auf dessen Rücken entdeckte er rötliche Haare. Er zeigte sie Durden.
    Was der Scheiß solle, fragte der.
    Ditzsche roch an seinen Fingern. »Fuchs. Die Ziege steht zu nah am Zaun. Der Fuchs hat die als Sprungbrett genommen.«
    Durden wiederholte gedankenverloren das Wort »Sprungbrett« einige Male. Ruhig, etwas zu ruhig, fragte er dann, warum Ditzsche mit seinem angeblichen Sachverstand diese Eventualität nicht bedacht habe.
    Ditzsche hatte keine Antwort. Eine überlebende Henne gackerte sacht. Durden presste die Lippen zusammen, sein Kinn zitterte. »Wie sollen die jetzt«, flüsterte er, als wollte er, dass die Henne ihn nicht hörte, »ihrem Zuhause jemals trauen? Sie werden immer ein Raubtier draußen wähnen. Statt der Hand, die sie füttert, das Maul, das sie frisst. Diese Hühner«, Durden griff in den Zaun, »können nicht mehr glücklich werden.«
    Wenn das Hühnergehege steht, lasse zwei Hähne um die Hennen streiten. Der Sieger wird seine Schar umso besser beschützen, je heftiger er um sie kämpfen musste. Er wird warnen, wenn Gefahr droht, und die Hennen werden in den Stall flüchten. Wenn Fuchs

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