Vor dem Fest
gemeyne Volck nicht zu ertzürnen, bey welchem die Verurtheilten stunden in hoher Gunst, da dieselben nur jene ihres Besitzes entledigen, welche es nach ihrem Sinne verdienen. Und erkoren haben die Verurtheilten ihren Geburtsort, Fürstenfelde.
UND DIE FÄHE SPRINGT, STÖSST SICH AN EINER ALTEN IDEE AB, so eine Nacht ist das, die Hühner rumoren im Holzverschlag, der erste Sprung reicht nicht, noch mal, noch mal und noch mal, es gelingt, doch sie landet hart und unglücklich, humpelt, die Fähe humpelt zum Holzverschlag, darin die Hühner mit den Krallen scharren, das Holz ist lückenlos, die Fähe schmeckt einen Menschen daran, sie kratzt mit dem linken Lauf an einem Metallteilchen, das Holz tut sich auf, hinein!, ein Tunnel, ihr rechter Lauf schmerzt, eng ist es, sie kommt kaum um die Ecken, die Wärme des Huhns, Kot, Federchen, Blut, die Wände schließen die Fähe ein, so eng, sie kann nicht umdrehen, zickzack, kommt um die Ecken nicht, das wird Albträume geben, und die Fähe niest. Die Fähe niest, und irgendwo im Inneren des Albtraumlabyrinths niest auch ein Huhn.
Weiter und jetzt endlich die Hühner, heftig, schlagen heftig mit den Flügeln, singen, kratzen, Moment doch, Moment!, die Eier, dort, dort und dort, das erste platzt auf, es ist nicht einfach in dem Durcheinander, Moment, sehr laut ist es, sie tötet eins, reißt ihm das Köpfchen ab, damit es ein wenig leiser wird, das zweite Ei, vorsichtig jetzt, sie packt es hinter die Zähne zwischen Zunge und Gaumen, es geht! So geht es!, platzt, Dotter, lieblicher Dotter, mit Dotter im Maul reißt sie ein zweites, das ist jetzt Ungeduld, das letzte Ei, das letzte Ei wurde zertreten, wer, die Fähe sieht sich um, die Hühner wackeln mit den Köpfen, und dann – der Hahn will kämpfen, der Hahn stößt scharf in ihren Nacken und tief und Blut, ihr eigenes Blut, sticht auf sie ein, die Fähe hat Staub im Seher, bleibt besonnen, raus hier, ihr rechter Lauf schmerzt, ihr Nacken, aber vor allem der Seher, das ist kein Staub, immer wieder hackt der große Vogel auf sie ein, raus, raus, zickzack, das ist jetzt Flucht, das ist jetzt sie, die flieht, der Seher schmerzt und stört, sie klettert auf den Verschlag, hievt sich über das Metallgeflecht, landet wieder auf dem verletzten Lauf, im Maul Daunen, Dotter , unddie Nacht ist blutig, so eine Nacht ist das, die Nacht ist auf einem Auge blind.
ANNA FRÖSTELT AUF DER MAUER. Der Regen ist schwächer geworden, der Wind stärker. Der Trick sei, ein wenig zu schielen, erklärt Herr Schramm, wie bei diesen bunten 3D-Bildern, und am Ende erkennst du darin ein Herz oder eine Rakete. Anna kennt die bunten 3D-Bilder nicht, sie kennt 3D-Kino und 3D-Drucker, und Herr Schramm wundert sich, dass sie die bunten 3D-Bilder nicht kennt, weil das ja eigentlich nicht mal eine Generationsfrage ist.
Das Schielen hilft aber auch nicht – Anna kann den Güldenstein nicht ausmachen. »Ich dachte«, sagt sie, »das mit dem Güldenstein ist nur ein Märchen. Ein Bauer, ein Esel und ein golden leuchtender Stein. Am Ende ertrinkt jemand, glaube ich. Der Bauer?«
Herr Schramm ist ein Mann mit Haltung und Haltungsschaden. Herr Schramm hat so einen Durst nach einer Kippe, so einen Durst hat er, und jede Sekunde ohne Kippe ist eine Sekunde in einer heißen Salzwüste.
Eine Fledermaus schießt über die Promenade.
Den Stein gibt es. Herr Schramm weiß das, Herr Schramm braucht dem Mädchen das doch jetzt nicht zu erklären, was er weiß. Vor dem Scheunenwerder liegt er im Wasser. Als Kinder sind sie im Winter, wenn der See eine dicke Eisdecke hatte, mit dem Pikschlitten hingefahren. Am besten war es in der Nacht, weil dann durften sie nicht.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie von hier kommen.«
Am besten in der Nacht, weil dann hat der Güldenstein geglänzt. Und Herr Schramm, Oberstleutnant, Förster, Rentner, deutet in die Schwärze hinaus, als gäbe es dort etwas zu sehen.
Für Anna ist dort nichts.
Alles Gold, das wir zeitlebens berührt haben werden, weiß Herr Schramm, ist in einem explodierenden Stern entstanden. Der Güldenstein glänzt wie Gold. Nicht am Tag, nicht in der Sonne. Am Tag sieht er aus wie jeder andere Stein. In sternenlosen Nächten aber. Herr Schramm sieht in die Wolken.Irgendwelche -logen waren ja schon da. Geologen, Biologen oder was.
»Und, was haben sie gesagt?«
Was sollen sie schon sagen? Algen, Moos, Parasiten, Pilze. Jedenfalls: Auf dem Scheunenwerder hat mal ein Fährmann gewohnt. Viel weiß man von dem
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