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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Tatsächlich hatte es runde achtzehn Grad Celsius, war also nach Darwinschen Maßstäben richtiggehend fröstelig. Sie machte das Handy an - piep, piep - zwei SMS, beide von Julien. »Hast du Harold gesprochen?«, »Wie läuft der Fall?«
    »Verkauf Bilder«, simste sie zurück.
    »Coogee«, sagte sie zu dem Taxifahrer.
    »Welchen Weg soll ich nehmen?«, wollte der wissen.
    »Den billigsten«, erwiderte Dusty, um dem typischen Sydney-Nepp von vornherein einen Riegel vorzuschieben.
    Gestern Nacht hatte sie sich übers Internet ein Hotel ausgesucht. Es lag erstaunlich nah am Strand, und das Zimmer war deutlich besser als erwartet. Ein, zwei Minuten lang bewunderte sie die Aussicht, dann ging sie duschen. Sie zog Jeans und ein T-Shirt an und machte sich auf die Suche nach einem Frühstück. Bei dem Streifzug entlang der Coogee Bay Road drängte sich Dusty der Eindruck auf, Coogee müsse das Aborigine-Wort für »Ort der vielen Cafés« sein. Die Dinger waren überall, sie waren zur Straße hin offen und verstopften mit Tischen und Stühlen den Gehweg. Dusty spürte ihre Macht als Konsumentin (so viel Auswahl), aber auch das Dilemma (und wenn ich mich nun für das Falsche entscheide?).

    Sie entschied sich fürs Globe. Es war anscheinend voller Einheimischer, immer ein gutes Zeichen, und es war, anders als die näher am Strand gelegenen Kaschemmen, frei von Rucksacktouristen und, wichtiger noch, vom alles erschlagenden Geruch nach fettigem Speck. Seit der Obduktion im Garten hatte sie gewisse Vorbehalte gegen jede Art von Fleisch.
    Es war eine gute Wahl. Die Deckenventilatoren erinnerten an Darwin, und Dusty fühlte sich sofort wohl. Der Kaffee war phänomenal, und das Gleiche galt auch für die Ricotta-Pfannkuchen.
    Nach genossenem Frühstück war es Zeit zu arbeiten. Sie zückte den DIN-A4-Spiralblock mit den eingelegten Photokopien - Triggers letzter Kontoauszug und die aktuelle Handyrechnung. Wäre die Ermittlungsarbeit doch immer so einfach. Dusty hatte einfach Triggers letzte bekannte Adresse aufgesucht, eine Wohnung in Walsh Bay. Sein Briefkasten quoll über. Wie jeder weiß, ist das eine Einladung an jeden Kriminellen - niemand zu Hause, bitte ausrauben -, also hatte Dusty, brave Bürgerin, die sie ist, Triggers Post für ihn eingesammelt. Dann hatte sie sie aufs Revier gebracht und in aller Ruhe durchgesehen. Am Montag, dem 2. Oktober hatte er in Darwin getankt. Dann in Three Ways, Mount Isa. Weiter ging’s bis nach Sydney. Fast alle Bankautomatentransaktionen seitdem hatte er im Bereich Coogee-Randwick getätigt. Außerdem hatte er bei der Commonwealth Bank an der Coogee Road mehrere Schecks eingereicht, ausgestellt von einer Firma, die sich Associated Hotel Holdings nannte und, wie weitere Nachforschungen ergaben, Eigentümerin des Coogee-View-Hotels war. Ein einziger Anruf genügte, und Dusty
wusste, dass ein gewisser Robert Tregenza ebendort als Wachmann angestellt war.
    Trigger zu finden wäre nicht das Problem. Ihn zum Reden zu bringen war etwas ganz anderes. Selbst mit der vollen Autorität der Staatsmacht im Rücken war es nie einfach, Leute zum Reden zu bringen.
    Daher die harten Stühle und das grelle Licht.
    Daher guter Cop und böser Cop.
    Daher der Schlag aufs Ohr.
    Der Hieb in die Magengrube.
    All die Methoden, die man in den Schuhträger-Bundesstaaten so zielführend einzusetzen wusste. Dusty allerdings konnte derzeit auf keine davon zurückgreifen. Sie würde sich etwas anderes einfallen lassen müssen.
    Für zehn Uhr vormittags war die Strandbar des Coogee-View-Hotels erstaunlich gut besucht: zwei alte Knacker mit Nasen wie Landkarten und zittrigen Händen, dazu eine abgerissene Gruppe von Mittzwanzigern, die aussahen, als hätten sie die Nacht durchgefeiert.
    »Guten Morgen«, grüßte Dusty den Barmann, ganz Wangenknochen und Pferdeschwänzchen.
    »Das meine ich aber auch«, entgegnete er.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Freund von mir, Rob Tregenza. Er arbeitet hier als Rausschmeißer.«
    »Im Konfliktmanagement, meinst du?«, korrigierte er mit einem Lächeln, das Wangenknochen und Pferdeschwänzchen um die passenden, blendend weißen Zähne erweiterte.
    »Verzeihung«, sagte Dusty. »Konfliktmanagement.«
    »Der Name sagt mir gar nichts, wie sieht er denn aus?«
    »Nicht annähernd so gut wie du«, erwiderte Dusty.
    Was man eben so sagt, wenn man verdeckt ermittelt.
Dusty hielt sich die Hand über den Kopf. »So groß ungefähr.«
    »Die sind alle ungefähr so groß, sonst würden sie

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