Vor dem Regen - Roman
finde.«
Fontana ignorierte die Kollegin. »Ich hör auf.«
»Du rauchst doch gar nicht.«
»Mit dem Dienst.«
Dass ein Polizist den Polizeidienst quittierte, konnte Dusty nicht überraschen. Mindestens sechzig Prozent ihrer Mitabsolventen von der Akademie waren mittlerweile aus der Polizei
ausgeschieden. Dass Fontana das machte, war dagegen sehr wohl eine Überraschung. Für sie hatte immer festgestanden, dass er es bis zum bitteren Ende durchziehen würde.
»Hab mich abwerben lassen«, gestand er.
»Sag bloß nicht - von einer Sicherheitsfirma.«
Das war eine derart ausgelatschte Laufbahn - vom öffentlichen in den privaten Sektor. Fontana nickte.
»Sag bloß nicht - Afghanistan?«, bohrte Dusty nach.
»Nein, Irak wird’s werden.«
»Scheiße, Fontana, du wirst draufgehen.«
»Ja, klar, aber frag mal Mac, was der dazu meint.«
Mac war mit Dusty und Fontana in derselben Klasse gewesen. Er war der Taufpate seiner Kinder. Es war ein Routineeinsatz gewesen, eine Familienstreitigkeit draußen in Palmerston. Der Ehemann war lichterloh brennend aus dem Haus gerannt, und das war das Ende des armen Mac.
»Wann?«, fragte Dusty.
»Hab den Abschied schon eingereicht.«
Dustys Handy meldete sich: »sind draußen«.
»Los geht’s«, sagte sie und trank den letzten Schluck Kaffee.
Angesichts des Klimas der Aufrichtigkeit und Transparenz, das seit neuestem zwischen ihr und ihrem langjährigen Kollegen bestand, fühlte Dusty sich zu einem Geständnis verpflichtet.
»Fontana, eigentlich hat Big C den Einsatz nicht abgesegnet«, nuschelte sie, als sie über die Straße gingen.
»Hab mir schon so was gedacht.«
»Und wieso bist du dann hier?«
»Weiß ich im Grunde selbst nicht. Sentimentalität. Wollte mal sehen, ob Dusty Buchanon es immer noch drauf hat. Glanz und Gloria und all der Mist.«
»Oh«, sagte Dusty, die sich irgendwie geschmeichelt fühlte.
»Abgesehen davon, ich hab den Kram ja schon hingeschmissen. Was will sie machen - mich rausschmeißen?«
Die Eingangshalle des Obersten Gerichtshofs war ein gewaltiger, lichtdurchfluteter, mit Marmor verkleideter Raum, dessen Wände mit Aboriginekunst geschmückt waren. Vor der Tür zu Verhandlungssaal 4 standen vielleicht ein halbes Dutzend Männer. Sie kriegten sich gar nicht mehr ein vor lauter Grinsen, Händeschütteln und Sich-männlich-auf den-Rücken-Schlagen. Dusty erkannte nur einen der Veteranen wieder. Barry O’Loughlin trug einen gut sitzenden Anzug und hatte die Brust mit Orden geschmückt. Sie hatte gehofft, auch Tank hier anzutreffen, war aber nicht wirklich überrascht, dass er nicht gekommen war; das Lager war für die Dauer der Regenzeit aufgelöst.
»Wir müssen ihn aufs Revier bringen«, erinnerte Dusty Fontana.
Barry löste sich aus der Gruppe und eilte ihnen auf dem gewienerten Boden entgegen.
»Detective Buchanon«, grüßte er freundlich und beinahe, als hätte er sie erwartet.
»Mr. O’Loughlin«, entgegnete Dusty. »Das ist Detective Fontana.«
»Alles glattgegangen?«, erkundigte sich Fontana und schüttelte Barry die Hand.
»Besser hätte es gar nicht laufen können«, sagte Barry. »Wir haben jetzt unser eigenes Reich.«
Noch einer aus der Gruppe, er trug Jeans und ein kurzärmliges Hemd, kam auf sie zu.
Erst als er schon fast bei ihnen war, erkannte Dusty
Jimmy wieder. Er hatte zugenommen, war beim Friseur gewesen und hatte die billigen Klunker abgelegt.
»Sie kennen Jimmy noch?«, fragte Barry.
»Wie läuft das Angeln?«, erkundigte sich Dusty und betrachtete seine Arme - die Narben waren kaum noch zu nehmen.
»Er macht das jetzt beruflich«, berichtete Barry mit unüberhörbarem Stolz.
»Hab auf einem Trawler angeheuert«, ergänzte Jimmy. »Hier alles in Ordnung, Boss?«
»Gib uns nur eine Minute«, sagte Barry.
Jimmy kehrte zu den Übrigen zurück.
»Es tut mir leid, Ihnen das ausgerechnet in einem solchen Moment zumuten zu müssen«, sagte Dusty, »aber hätten Sie etwas Zeit, um uns ein paar Fragen zu beantworten?«
»Wenn ich mich einen Moment mit meinem Anwalt beraten dürfte?«
Schuldig, dachte Dusty. Bis über die Hutkrempe.
»Wenn es denn sein muss«, sagte sie.
»Mist!«, grummelte Fontana.
In den alten Zeiten, da war es ganz einfach - man bat jemanden, ein paar Fragen zu beantworten, und schon kam er mit. Aber heutzutage mussten sie alle gleich einen Anwalt auffahren. Die Unschuldigen, die Schuldigen, die Schlauen und die Doofen - allesamt fuhren sie zuallererst einen Anwalt auf, weil sie’s
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