Vor dem Regen - Roman
Schneider, fragte Fontana: »Wieso bist du eigentlich so sicher, dass Tank sie umgebracht hat?«
»Bin ich gar nicht, ich wollte nur Barry aus der Reserve locken. Ihn aus der Fassung bringen.«
»Dann war es doch Jonsberg?«
»Auch da bin ich mir nicht sicher. Jonsberg war ein Schnitzer, du hast ja die Fotos von McVeigh gesehen.«
Fontana verzog das Gesicht.
»Trigger meint, als er hinkam, war sie schon tot, kein Blut, kein Sonstwas, und Jonsberg hatte das Messer noch bei sich.«
»Und du glaubst Trigger?«
»Ich glaube ihm.«
64
Sie lag exakt dort, wo Barry O’Loughlin gesagt hatte: von Jonsberg aus zehn Meter in die Kajeputbäume. Was natürlich nicht bewies, dass er sie dort vergraben hatte. Sie war in Ost-West-Richtung eingegraben, Jonsberg Nord-Süd; ihr Grab war tief, Jonsbergs flach.
Dusty malte sich aus, wie es abgelaufen war - Barry kommandiert einen Trupp ab, sie zu begraben, und einen Trupp, ihn zu begraben. Also Männer, das ist allein euer Problem, klar? Es ist mir völlig egal, wie ihr es macht, nur gut müsst ihr es machen . Jamarra hatte gewusst, dass zwei Leichen dort lagen. Wahrscheinlich hatte er sogar gewusst, dass in dem Grab, das er Dusty gezeigt hatte, ein Mann lag. Und hätte sie ihm mehr - um mit seinen Worten zu reden - Respekt gezeigt, dann hätte er ihr vielleicht sogar von dem zweiten Grab erzählt.Vielleicht auch nicht. Schließlich musste er rechtzeitig zum Auftritt zurück sein. Das war seine Welt, da lagen seine Prioritäten. Leichen, das waren die ihren.
Zwar konnte Dusty nicht auf die volle Unterstützung der NT Police Force zählen - ein Mord/Selbstmord in Malak war momentan gerade das große Ding -, aber sie hatte Fontana. Das heißt, sie hatte Fontana für eine Woche - Freitag war sein letzter Arbeitstag. Die Gerüchte, die durch die luftlosen Flure des Polizeipräsidiums geirrlichtert waren - Buchanon hat sie nicht mehr alle, Buchanon hat PTBS -, waren verstummt. Tot aber waren sie nicht, solche Gerüchte brauchten nicht mehr als den Hauch eines neuen Skandals, um wieder aufzuerstehen. Zumindest hatte Dusty ihren alten Ruf als absolute Top-Ermittlerin der Mordkommission
wieder. Alle gingen davon aus, dass sie beide Fälle - Jonsberg und Noi - in null Komma nichts aufgeklärt haben würde.
»Voranbringen« war das Wort, das Big C benutzt hatte; in der Art etwa: »Ich erwarte, dass Sie die Ermittlungen voranbringen werden, Detective.«
Das Telefon klingelte. Wie erwartet war es Dr. Singh.
»Und?«, fragte Dusty.
»Atemstillstand«, erwiderte der Doktor. »Das Messer kam erst postmortal hinzu.«
»Ich wusste es!«, rief Dusty, und sie dachte an Tank, diesen Berg von Mann.
»Es ist leider ein wenig komplizierter - ich würde vorschlagen, Sie kommen hierher.«
Vom Präsidium zur Pathologie waren es fünfzehn Minuten mit dem Auto. Dusty schaffte es in zwölf. Wieder dieser Geruch nach Zimt und Kardamom.
In Dr. Singhs Hand ein Blatt Papier.
»Toxikologie.«
Dustys erster Gedanke war: Heroin. Heroin, Koks, Speed. Mein unschuldiges, kleines Mädchen war ein Junkie und hat sich eine Überdosis gesetzt.
»Ja?«
»Signifikanter Gehalt von Gamma-Hydroxybutyrat, auch bekannt als -«
»Fantasy.«
»Sehr gut.«
»Vergessen Sie nicht, Doktor, ich habe vier Jahre bei den Sexualdelikten abgerissen. Auch bekannt als: GBH, Scoop, Liquid E, Liquid X, Salty Water, Cherry Meth.«
»So lauten die Namen und Bezeichnungen.«
»Neben Rohypnol und Ketamin die effektivsten K.-o.-Tropfen.«
»Wirkung?«
»Bei moderater Dosierung: Entspannung, Schläfrigkeit und der Verlust sexueller Hemmungen.«
»Keine schlechte Droge für eine Prostituierte also, insbesondere eine, die sich sträubt«, merkte Dr. Singh an und legte den Bericht beiseite. »Bei höherer Dosierung?«
»Schwindel, Übelkeit, Tremor, plötzliche Anfälle, Halluzinationen, Koma, Atemstillstand, schließlich Tod.«
»Eine schreckliche Art zu sterben, nicht wahr?«, sagte der Pathologe.
Der Tod war immer schrecklich, ganz gleich, wie es einen erwischte. Trotzdem war Dusty klar, worauf der Doktor hinauswollte.
Allein in diesem bestialisch stinkenden Zelt, gefickt von einem nicht abreißenden Strom von Fremden, brannten in ihrem Gehirn die Sicherungen durch, während ihr Körper den Dienst versagte. Es war eine schreckliche Art zu sterben. Aber wer war schuld? Wer hatte ihr den Stoff verabreicht?
65
Beine, Füße, kräftig stoßen, die Hand nach dem Wasser ausstrecken und ranziehen. Bei der Wende schaut Trigger
Weitere Kostenlose Bücher