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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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auf die Uhr: 16.14, bei zwei ausstehenden Bahnen. Er ist drauf und dran, die achtzehn Minuten zu knacken. Die nächste Wende, und er stößt sich kraftvoll von der Beckenmauer ab. Inzwischen tut ihm alles weh, und sein Blut verlangt nach
Sauerstoff. Beim Laufen kann man Luft reinsaugen, wie man lustig ist, beim Schwimmen aber ist man Sklave seiner Züge. Kopf links. Atmen. Linker Arm. Rechter Arm. Linker Arm. Kopf rechts. Atmen. Die Züge werden ungleichmäßig, und er hat das Gefühl zu ersaufen. Rechter Arm, linker Arm, rechter Arm. Atmen. Er schlägt an. 17.58!
    Später dann, als er schwer keuchend auf dem Badetuch lag, war er zufrieden mit sich. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten war er zufrieden mit sich. Dann klingelte das Handy.
    »Trigger, hier Detective Buchanon.«
    Seit der bewussten Nacht hatte sie einige Male bei ihm angerufen. Nachfragen zu seiner Aussage, Klärungsbedarf.
    »Guten Morgen, Detective.«
    Wieder dieses Bild - das hatten sie in letzter Zeit des Öfteren heraufbeschworen, er und Cazaly: sie, nackt am Beckenrand. Die Kurve ihrer Brüste. Der süße Schwung ihres Hinterns.
    »Schon im Wasser gewesen?«
    »Ob Sie’s glauben oder nicht.«
    »Paar Runden runtergerissen?«
    »Zwanzig.«
    »Zeit?«
    »Unter achtzehn.«
    »Ganz schön gut, Trigger.Vielleicht schaffst du’s ja nächstes Mal sogar, mich zu erwischen.«
    »Glaub ich eher nicht.«
    »Ich ehrlich gesagt auch nicht.«
    Trigger war mittlerweile überzeugt, dass es ihr Tonfall war, mit dem sie ihn drangekriegt hatte. Ihn verleitet hatte, die Deckung aufzugeben. Ihr irgendwie schäkernder und dabei kumpelhafter Ton. Der erinnerte ihn an Donna,
die beste Freundin seiner älteren Schwester auf der Highschool.
    »Was für ein großer, schnuckeliger Bursche jetzt aus dir wird, Trig«, hatte sie geschnurrt. »Ich kann’s gar nicht erwarten, bis du alt genug bist, um mich auszuführen.«
    Schäkernd und kumpelhaft. Damit er dachte, Detective Buchanon habe trotz allem wirklich etwas für ihn übrig.
    »Weißt du noch, wie ich gesagt habe, dass ich nicht glaube, dass du sie umgebracht hast?«, fragte sie jetzt.
    »Ja.«
    »Na ja, ich hab meine Meinung geändert.«
    Und dann fuhr sie dich mit einem Mähdrescher platt.
    »Ich möchte das nicht am Telefon besprechen«, sagte Trigger.
    »Geht mir genauso, Trigger. Aber es wird uns kaum etwas anderes übrig bleiben. Der Ausflug in den Süden neulich hat mich die letzten Vielfliegermeilen gekostet.«
    »Wo stecken Sie?«
    »In der Pathologie, mit ein paar alten Freunden.«
    Lustig war sie auch. Und das auf eine ziemlich frauenuntypische Art.
    »Aber hier ist irgendwie echt tote Hose, deswegen werde ich auf einen Kaffee ins Roma’s rübergehen.«
    »Okay, dann treffen wir uns da.«
    »In zehn Minuten?«, spottete Dusty.
    »Fünfzehn«, sagte Trigger und legte auf.
    Trigger konnte Sportmetaphern so einiges abgewinnen; oft war das der einzige Weg, wie er aus der Welt wenigstens halbwegs schlau wurde. Und so wie er die Sache sah, hatte sie in dem Match Buchanon gegen Tregenza einen, wie es ein Sportreporter wohl ausgedrückt hätte, »komfortablen
Vorsprung«. Ihr verdatterter Blick, als er dann ins Roma’s spazierte, war mindestens ein, zwei Tore für seine Mannschaft wert. Und ihr Spruch - »Ich dachte, du hast dich nur wieder zum Affen gemacht« - gleich noch eins.
    Ihr Haar war blonder, als er es in Erinnerung hatte - anscheinend hatte sie es tönen lassen. Sie trug eine lange Hose und ein weißes T-Shirt. Sah gut aus. Trigger setzte sich.
    »Du riechst wie meine Kindheit«, sagte sie, nachdem sie für beide Kaffee bestellt hatte.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Chlor«, erläuterte sie. »Hast du wirklich die achtzehn geknackt?«
    Trigger nickte, aber diesmal war er gewarnt. Lass dich nicht einlullen, ermahnte er sich. Sei auf der Hut vor dem Mähdrescher.
    »Seit wann bist du zurück, Champ?«, wollte sie wissen.
    »Ein, zwei Tage.«
    Nach der Nacht bei Wylies hatte er sich in den RAV4 gesetzt und war losgedüst, ursprünglich Richtung Westen, nach Pilbara. Da wollte er sich klein machen. Untertauchen. Aber nach zwei Tagen hatte er, mitten in der tiefsten Nacht, mitten im tiefsten Niemandsland, am Straßenrand gehalten und gepinkelt. Ein Sattelschlepper donnerte vorbei, und dann war da nichts als eine unergründliche Stille. Es war, als drücke der sternenlose Himmel ihn zu Boden. Er ging in die Hocke und tat etwas, das er seit Jahren nicht getan hatte: Er weinte. Um den Mann, der er gewesen war? Um die

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