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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Feuchtes auf ihrem Gesicht. Noch ein Knall, und Noi kippte vom Stuhl. Die Tür zum Garten ging auf, und dort stand, breitbeinig und mit gezogener Pistole, Fontana.
    »Verdammt!«, sagte er. »Ich hatte gleich ein schlechtes Gefühl bei der Geschichte.«
    Die Schwestern schrien. Noi krümmte sich auf dem Boden, und aus ihrem zertrümmerten Arm strömte Blut auf das Linoleum. Flick starrte auf die Waffe in ihrer Hand und konnte es nicht fassen: Sie hatte tatsächlich auf jemanden geschossen. Dusty griff sich ans Gesicht und hielt sich die Finger vor die Augen - überall grünes Chicken Curry.

67
    Es regnete, wenn auch nur leicht. Die Tropfen auf dem Gesicht fühlten sich gut an. Dusty lief an einem Park vorbei, der grün und strahlend dalag und in nichts mehr an die Trockenzeit erinnerte.
    Es würde eine gerichtliche Untersuchung zu Nois Tod geben, aber keinen Prozess. Selbst wenn sich beweisen ließe, dass Tasanee Niratpattanasai, die ältere Noi, ihr Drogen zur Verfügung gestellt hatte, sie hatte sie nicht gezwungen, sie zu nehmen. Und wenn auch wahrscheinlich war, dass Noi nicht gewusst hatte, was sie da schluckte, beweisen ließ sich das auf keinen Fall. Trotzdem hatte Tasanee Niratpattanasai Probleme genug. Nicht nur, dass der Arm eine umfangreiche Operation erfordert hatte, es kamen schwerwiegende Anklagepunkte auf sie und ihre rosa Pistole zu.
    Nach einer Stunde Spaziergang fühlte Dusty sich kein Stück besser. Direkt vor ihr lag das Beachfront, und ein
Soda, Lime und Bitter hatte etwas durchaus Verlockendes.
    »Spaltarsch!«
    Selbst nach ihren eigenen problematischen Maßstäben sah Marion furchtbar aus. Ihr gutes Auge war halb zugeschwollen und das Haar komplett verklebt, anscheinend mit Blut.
    »Tante«, grüßte Dusty.
    »He, hast du einen Fünfer für mich?«, fragte Marion ohne Umschweife.
    »Wofür brauchst du den, Tante?«, wollte Dusty wissen.
    Darüber musste Marion erst einmal nachdenken.
    »Bisschen Tsatsiki kaufen?«
    »Bisschen was?«
    »Tsatsiki.«
    »Du meinst diesen Joghurt?«
    »Ja, Tsatsiki. Ich und Sophie, wir fahren total ab auf dieses Tsatsikizeug.«
    Marion würde natürlich kein Tsatsiki kaufen. Sie würde schnurstracks in den Schnapsladen gehen und sich eine Pulle Portwein holen - die nächste Anzahlung auf ihr bevorstehendes Ableben. Und dann wäre es an Dusty, sie zu identifizieren. Sie konnte sich die Szene im Leichenschauhaus lebhaft ausmalen, Marion auf der Bahre, Bethany so unleidlich wie immer. »Ist sie das jetzt oder nicht? Ich kann nicht den ganzen Tag sinnlos hier rumstehen.«
    Dusty gab Marion einen Zehndollarschein. Wer war sie, sich ein Urteil zu erlauben?
    »Aber besorg dir dazu ein paar Jatz-Cracker oder so was in der Art«, mahnte sie.
    »Danke«, sagte Marion und steckte den Schein ins Dekolletee
ihres abgerissenen Kleides, bevor sie sich auf den Weg machte.
    Dusty bestellte den Drink, leerte ihn zu etwa einem Viertel, starrte kurz auf die Cricket-Übertragung im Fernseher und beschloss dann, ein Taxi nach Hause zu nehmen. Gegenüber vom Schnapsladen saß Marion auf einer Bank. Sie hatte gelogen - keine Spur von Sophie. Marion aß ganz allein und stippte Jatz in einen Plastikbecher Tsatsiki. Das war wirklich Darwin, wie es leibte und lebte, fand Dusty. Wo sonst in Australien, wo sonst auf der Welt, würde eine obdachlose Ureinwohnerin sich das Geld für eine griechische Joghurt-Knoblauch-Tunke erbetteln?
    »He!«, rief Marion, als sie Dusty entdeckte, und winkte ihr mit dem Cracker zu. »Auch ein bisschen Tsatsiki?«
    Dusty war eher eine Hummus-Freundin oder wich, wenn es gar nicht anders ging, auch mal auf Taramas aus. Aber sie setzte sich dann doch zu Marion - das schien ihr ein Gebot der Höflichkeit -, nahm einen Jatz-Keks und knabberte daran.
    »Du willst bestimmt nichts abhaben?«
    »Nein, mir ist nicht ganz wohl«, sagte Dusty.
    »Wo zwickt’s denn?«, fragte Marion und spähte Dusty aus ihrem Schwellauge an.
    Dusty tätschelte sich den Bauch.
    »Lass fühlen«, sagte Marion.
    Dusty hatte wenig bis nichts für Aborigine-Hokuspokus übrig. Eine von Juliens Kunstfreundinnen hatte einmal erzählt, sie sei in den Norden gekommen, um sich in die Heilkünste der Aborigines zu versenken. Da war es Dusty zu viel geworden - eine Lebenserwartung von zwanzig Jahren unter dem Landesschnitt, die Quote bei Herzerkrankungen
verdoppelt, Diabetes ohne Ende - was denn bitte für Heilkünste? Dennoch ließ sie zu, dass Marion mit ihren vernarbten Händen über ihren Bauch

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