Vor dem Regen - Roman
hatte.
»Nummer eins gut wie ich?«, sagte Teddy lachend.
»Ja.«
»Keinen.«
»Und jemand, der fast so gut ist?«
»Mein Sohn«, erwiderte Teddy.
»Tyson?«, staunte Dusty und erinnerte sich an den schüchternen Jungen, den er einmal zu einem Auftrag mitgenommen hatte.
»Nein, nicht der. Klein-Teddy.«
Dusty hatte ihn bei einem ihrer Besuche in Angagarra kennen gelernt. Jünger als Tyson. Weniger schüchtern. Ein Frechdachs. Aber das war Jahre her, inzwischen musste er knapp zwanzig sein.
»Ist er da? Kann ich ihn sprechen?«
»Nein, er ist in Darwin.«
Umso besser - Dustys Adrenalinspiegel stieg.
»Geht er hier zur Schule?«
»Klein-Teddy, Schule?«, erwiderte Teddy lachend. »Nein, er ist großer Musikmann. Spielt in Band Yabooma.«
Yabooma: das größte Ding seit Yothu Yindi!
Nach dem Gespräch mit Teddy telefonierte Dusty noch eine ganze Weile herum. Wie sich herausstellte, war Klein-Teddy gar nicht in Darwin - Yabooma spielten gerade eine Reihe von Konzerten in North Queensland. Allerdings wären sie am Samstagabend für einen Auftritt in der Troppo Lounge zurück.
Dusty war keine von denen, die Angst hatten, allein auszugehen, und es in der Kneipe ohne Begleitung durch mindestens eine Geschlechtsgenossin nicht einmal bis zur Toilette schafften. Rock’n’ Roll allerdings war unbekanntes Terrain, und da schien eine Verstärkung gar keine schlechte Idee. Zudem konnte es, auch wenn das etwas zynisch war, nie schaden, einen Aborigine an Bord zu haben, sobald man es drauf anlegte, einen aufs Kreuz zu legen. Sie rief Trace an und machte alles klar. Samstagabend würden sie sich aufstylen.
Bis dahin blieben noch zwei Tage. Inzwischen gab es andere Spuren, denen sie nachgehen musste. Dusty nahm sich ihren DIN-A4-Spiralblock und die umfangreichen Notizen vor, die sie sich bereits gemacht hatte. (Das war wieder so etwas, was Dusty an den Fernsehkrimis störte: Nie wurden da Notizen gemacht!) Ein Name, eine Spur hob sich von allen anderen ab: Franky fucking Ng.
37
Dusty saß gegenüber der Einfahrt zu Darwin Combined Taxis in Beastie Boy und schob sich schwitzend und mit der Plastikgabel Pad Thai aus einem Plastikbehälter in den Mund.
Ein paar Anrufe hatten genügt, um Franky Ngs Arbeitgeber herauszufinden. Kurz nach sechs - seinem Schichtbeginn, wie die ausgesprochen hilfsbereite Deidre zu berichten wusste - scherte ein Taxi mit Franky Ng am Steuer in die Straße ein.
Dusty konnte sich gar nicht erinnern, wann sie zuletzt jemanden beschattet hatte. Für gewöhnlich übernahmen das die Überwachungseinheiten, die Hunde. Und sosehr sie auch in Beastie Boy vernarrt war, für einen solchen Zweck war er ein ernsthaftes Handicap. Zum einen war er träge und klobig. Zum anderen war er absolut unverwechselbar. Manchmal, wenn Dusty ihn auf dem Parkplatz von Casuarina abstellte, fand sie ihn bei der Rückkehr von einem Haufen obercooler Machotypen in Sandalen und Unterhemd umlagert, denen schon der Sabber aus dem Mundwinkel lief. »So was läuft einem echt nicht jeden Tag über den Weg, Puppe.«
Nein, unauffällig konnte man Beastie Boy wirklich nicht nennen, aber einen anderen hatte sie nun mal nicht. Sie prügelte den ersten Gang rein, ließ die Kupplung schnalzen und rauschte Franky Ng hinterher. Die erste Stunde ging alles glatt. Franky hatte einen gemäßigten Fahrstil, und sie schaffte es, sich immer schön an sein Heck zu hängen. Seine Touren schienen allesamt unverdächtig - zwei Schnösel im Anzug zum Flughafen, ein paar Aborigines vom Einkaufszentrum
zur Gemeinschaft Bagot, Touristen zur Fischfütterung bei Doctor’s Gully. Als Franky Ng um zehn Uhr abends im McDonald’s in Nightcliff eine Pause einlegte, kam ihr langsam der Gedanke, es wäre vernünftiger, einer anderen Spur nachzugehen - beispielsweise könnte man sich ja mal die Biografien der einzelnen Veteranen genauer ansehen.
Sie sah Franky Ng an einem Tisch sitzen, vor ihm lagen Handy und Autoschlüssel, und er las die NT News und trank etwas Giftiges aus einem Styroporbecher. Das Handy klingelte, und nach einem äußerst kurzen Gespräch beeilte er sich, zum Taxi zu kommen. Aus Franky Ng, dem gemäßigten Fahrer, wurde Franky Ng, der Rennwagenfahrer, der die Bagot Road hinaufdonnerte, als sei sie Mount Panorama. Hätte ihn nicht die eine oder andere rote Ampel kurz aufgehalten, Dusty wäre nie und nimmer nachgekommen.
Franky Ng bog rechts in die Palmerston Road ein. In Palmerston entstanden die meisten Neubauten Darwins, daher war
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