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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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machte Dusty nichts aus. Sie kannte die Spielregeln: Polizeiarbeit heißt Teamwork, und Stars gibt es nicht.
    Unter einem Himmel wie ein tiefschwarz getöntes Gebirgsmassiv voller Gipfel und Schluchten funkelte das Beachfront Hotel wie ein Vergnügungspark. Man bestellte Drinks und machte Smalltalk, bis Vashti schließlich Dusty ansah und fragte: »Also?«
    »Also was?«
    »Also, was ist die wahre Geschichte?«

    Dusty hatte des Öfteren den Eindruck, dass die Bescheidenheit unter den Tugenden eine Winzigkeit überbewertet war. Im Normalfall bereitete es ihr keinerlei Schwierigkeiten, sich ins rechte Licht zu rücken, wenn sie der Meinung war, es verdient zu haben. Heute aber verspürte sie diesen Drang nicht: Ein Fall war gelöst worden, aber es war nicht der Fall. Also hielt Dusty sich an die geltende Sprachregelung - hartnäckige Polizeiarbeit, Routine, klare Vorgaben -, wenngleich sie das Ganze mit ein paar gezielten Leckerbissen auflockerte (immerhin hatte sie als Erzählerin eine gewisse Verantwortung); Kanulla aber erwähnte sie mit keinem Wort.
    »Und wer hat Jonsberg nun erschossen?«, fragte der ewiglogische Sean.
    Dusty setzte gerade zur Antwort an, aber Zeus oder Thor oder wer auch immer heute Abend Dienst schob, hatte andere Pläne. Nach einem lang anhaltenden Donnergrollen barst der Himmel, und der Regen setzte ein.
    Der Build-Up hatte endlich genug Anlauf genommen. Die Regenzeit war da.
    Die Gäste des Beachfront-Hotels flüchteten sich unter alles, was Schutz bot, um dort weiterzutrinken und zuzusehen. Alte Hasen klopften alte Sprüche - War ja wohl klar, dass es jetzt jeden Moment losgeht -, während die Frischlinge nach Frischlingsart das Offenkundige konstatierten: Unglaublich, diese Wassermassen! Der Wolkenbruch dauerte eine Stunde, in der Abendessen erkalteten, Lieblingsfernsehsendungen ungesehen und verschissene Babywindeln ungewechselt blieben, da in ganz Darwin die Menschen nur noch Augen und Ohren für diese unglaublich abgedrehte Wasser-Schwerkraft-Show hatten. Anschließend
ging Dusty wie unzählige andere auch an den Strand von Nightcliff. Zum ersten Mal seit Wochen war die Luft wirklich frisch - und roch auch so. Nasse Straßen glitzerten im Schein der Laternen. In den Gullys gluckerte das Wasser. Überall lag Jubelstimmung in der Luft. Die Regenzeit ist da! Die Regenzeit ist da! Lang lebe die Regenzeit!
    Dusty setzte sich auf eine feuchte Bank mit Blick aufs Meer. Groß geworden war sie in Adelaide, das den Beinamen »Stadt der Kirchen« trug, sinnvollerweise aber eher »Stadt der Piers« hätte heißen sollen, weshalb Dusty auch eine ausgesprochene Vorliebe für Piers hegte. Der vor ihr liegende war eher kurz und aus Stahl und konnte es nicht einmal ansatzweise mit dem Grange Pier, dem Glenelg Pier, dem Semaphore Pier oder jeder anderen der majestätischen Holzkonstruktionen ihrer Geburtsstadt aufnehmen. Dennoch verfügte auch er über einige von deren unbestreitbaren Vorzügen: Er ragte ins Wasser, war links und rechts mit Lämpchen bestückt und bot Anglern einen Platz zum Angeln.
    Dusty sah auf die Uhr. Kurz vor neun, in London also um die Mittagszeit. Sie nahm das Handy und wählte die Nummer - sie kannte sie auswendig.
    Diesmal meldete sich Mr. Maxwell.
    »Ja.«
    »Mr. Maxwell, hier ist Detective Buchanon.«
    »Ich hatte gehofft, dass Sie sich melden würden, Dusty.«
    Zwar hatten die Maxwells sich abgewöhnt, Zeitung zu lesen oder sich Nachrichten anzusehen - ihr Bedarf an Elend war gedeckt, hatten sie Dusty erklärt -, dennoch war es im heutigen Informationszeitalter unmöglich, nicht doch etwas mitzubekommen.

    »Sie wissen es also schon?«, fragte Dusty.
    »Ich würde es gerne von Ihnen hören.«
    Dusty berichtete, was sich ereignet hatte.
    »Und es wird keinen Prozess geben?«, hakte Mr. Maxwell schließlich nach.
    »Eine Untersuchung, aber keinen Prozess.«
    Dusty schilderte und erläuterte noch dies und das und sagte dann: »Mr. Maxwell, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«
    »Natürlich«, erwiderte er. »Ich möchte helfen, wo ich kann.«

51
    Commander Schneider hatte Detective Buchanon unterschätzt - sie war eine weit würdigere Gegnerin, als sie ursprünglich gedacht hatte. Nicht, dass sie eine Gegnerin gewesen wäre, natürlich nicht. Schließlich waren sie im selben Team, für beide galt dasselbe Mission Statement, und sie arbeiteten daran, der Erfüllung der Zielvorgaben näher zu kommen: Senkung der Kriminalität und Schutz der Bevölkerung.
    Jemand klopfte an

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