Vor dem Regen - Roman
Schuppen wohl nicht mehr lang erhalten bleiben«, sagte Gerard.
»Sei dir da mal nicht so sicher«, erwiderte Dusty und goss Riesling in die drei Gläser auf dem Tisch. »Aber egal - auf dich, Gerard, den König des Yarndi .«
Während sie Gerard hochleben ließen, dachte Dusty noch einmal daran, was Alex erzählt hatte. Vielleicht stimmte es ja, vielleicht hatte Gerard wirklich die Nerven verloren. Es musste einen triftigen Grund geben, wieso j emand mit diesen unbestrittenen Fähigkeiten nicht Detective war. Gerard hatte einen neuen Versuch verdient. So viel wusste sie. Immerhin waren sie in Darwin, der Hauptstadt der zweiten Chance.
»Ich finde, du solltest wieder raus auf die Straße«, sagte Dusty.
»Genau, find ich auch«, kicherte Trace. »Besorg uns noch einen Schwung Yarndi .«
Dusty hatte ein wenig gezögert, bevor sie Gerard und Trace eingeladen hatte - sie hatte befürchtet, die beiden hätten, vom Arbeitgeber einmal abgesehen, nicht allzu viel gemein. Aber sie verstanden sich ausgesprochen gut. Verdammt gut.
»Dusty, darf ich dich etwas fragen?«, sagte Gerard.
»Klar.«
»Auf der Fahrt nach Kanulla hast du gesagt, es wäre nicht nur der gefälschte Führerschein, der Jonsberg mit Kanulla verbindet.«
Dusty nickte. »Die Tätowierungen - ich wusste, dass Gardner eine Ku-Klux-Klan-Tätowierung hat, und dann hat Singhie mir von Jonsbergs Tattoo mit dem gelynchten Schwarzen erzählt.«
»Sie haben beide einen Hass auf Schwarze?«
»Genau.«
»Aber den haben viele.«
»Schon, aber den lassen sie sich nicht gleich eintätowieren.«
Dusty sah, dass Gerard immer noch ein Verständnisproblem hatte. »Du bist selbst in Kanulla gewesen, du hast mit eigenen Augen gesehen, wie die Aborigines dort mit Geld um sich werfen. Leuchtet es da nicht irgendwie ein, dass manche Leute, vor allem die sozial Schwachen, einen unglaublichen Hass auf sie haben?«
»Trotzdem scheint mir das etwas, ich weiß auch nicht … mager«, sagte Gerard.
»Es war eine Spur, Gerard. Und das ist es, was die Polizeiarbeit ausmacht: Man folgt Spuren.«
»Ich muss dann mal«, sagte Trace mit einem Blick auf die Zeitanzeige auf dem Handy. »Kinder und so.«
»Wenn du magst, fahre ich dich zu deinem Wagen rauf«, bot Gerard an.
»Klasse«, sagte Trace und stand auf. »Schwester, du bist die Größte. Lass uns morgen Mittag essen.«
Dusty blieb allein sitzen. Kurzzeitig überlegte sie, literweise Bier in sich hineinzuschütten und sich betrunken selbst auf die Schulter zu klopfen, wie toll sie doch war und dass niemand sonst diesen verdammten Fall hätte knacken können, doch dann verwarf sie die Idee, fuhr nach Hause, fütterte die Hunde und ging ins Bett.
50
Es war während Surya namaskar , dem Sonnengruß, als das Donnern losbrach. Das Wetteramt hatte prophezeit, der Build-Up werde bald enden, aber aus Erfahrung wusste Dusty, dass der Build-Up endete, wenn dem Build-Up danach war und nicht, wenn ein Meteorologe mit Eierkopf und Computermodell es meinte. Im Verlauf der Yogastunde wurde das Donnern lauter und lauter und füllte schließlich den ganzen Raum. Als es Zeit zum Shavasna war und Dusty mit geschlossenen Augen auf dem Rücken lag, musste Vashti brüllen, um sich Gehör zu verschaffen.
»Entspannt all die schwer entspannbaren Muskeln eures Körpers.«
»Entspannen, hab ich gesagt!«
Es war nicht schwer zu verstehen, weshalb Zeus und Thor, diese grollenden Donnergötter, derart verehrt und gefürchtet waren. Wenn man schon an eine höhere Macht glauben wollte, dann doch bitte an eine, die auch mal ein bisschen Krawall machte.
Aber so schlagartig, wie es angefangen hatte, hörte das Donnern auch wieder auf. Dusty lächelte. Eierköpfe. Computermodelle. Die nun eintretende Stille war so kristallen, dass die schmalbrüstigen Gesänge, die Vashti am Ende der Stunde anstimmte, widerhallten wie das Geläut einer Kathedrale.
Alle gingen mit in den Pub - alle wollten die Jonsberg-Geschichte hören. Sie war der Aufmacher der heutigen NT News und hatte damit »Shane Warne nackt im Clinch mit Krokodil« zum Zwangsabstieg auf Seite zwei verdonnert, womit für »Aga-Kröte im Einkaufszentrum Casuarina« mehr als Seite drei nicht drin war. Der Text stammte zwar aus der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, trug aber von vorn bis hinten die Management-DNA von Big C: Best Practice , Erwünschtes Resultat , alles drin - und selbstverständlich auch: Gut aufgestellt für die Zukunft . Dass ihr Name nur ganz am Rande fiel,
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