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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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besser. Sie wird, denk ich, mehr kalmieren als irritieren. Und das ist genau, was wir brauchen.«
    Damit empfahl sich Doktor Leist und versprach, am andern Tage wiederzukommen.
    Der Alte war kaum fort, als Renate Malinen heranwinkte.
    »Nun nimm eine Fußbank und setze dich zu mir; hier dicht an mein Bett. Wir haben ja des Doktors Erlaubnis. Und nun gib mir deine Hand. Ach, wie schön kühl du bist. Wenn ich nur eine ruhige Nacht hätte! Aber ich habe immer Bilder vor den Augen.«
    »Das ist das Fieber.«
    »Ja, das Fieber. Und das quält mich, daß ich den Anblick der armen Frau nicht loswerden kann.«
    »Welcher Frau?«
    »Die sie heute mittag auf dem Rohrwerder mit aufgespürt haben. Lewin sagte mir, daß kein rohes Wort, nicht einmal eine Klage über ihre Lippen gekommen sei.«
    »Aber, Fräulein, es ist ja eine Diebin. Und keiner weiß, wem sie zugehört. Krist sagte mir: sie hat zwei Männer oder keinen. Und das ist doch schlimm, das eine wie das andere.«
    »Ich habe doch Mitleid mit ihr, und so recht eigentlich schlecht kann sie nicht sein; denn sieh, sie hat nicht an sich gedacht, sondern erst an ihr Kind und hat es in einen kleinen Schlittenkasten gepackt und es mit sich genommen. Und nun seh ich immer die lange Frankfurter Pappelallee vor mir, die kein Ende nimmt und weit, weit am Horizonte zu einem Punkte zusammenläuft. Und zwischen den Pappeln geht die Frau und zieht den Schlittenkasten, in dem das Kind sitzt, und wenn sie aufwärts, abwärts an den Punkt kommt, wo die Pappeln ein Ende zu nehmen schienen, dann tut sich eine neue Allee auf, die noch länger ist und wieder in einem Punkte zusammenläuft. Und die Frau wird immer matter und müder. Es peinigt mich. Ich wollte, daß ich das Bild loswerden könnte.«
    »Krull und Reetzke sind ja gute Leute und werden ihr nicht mehr auflegen, als sie tragen kann.«
    »Es sind Bauern, und Bauern sind hart und taub. Ich wollte, der junge Scharwenka hätte den Transport übernommen. Der ist schon anders und läßt mit sich reden.«
    »
Der
?« fragte Maline.
    »Ja,
der
. Und du mußt dich nicht gleich verfärben, wenn ich bloß seinen Namen nenne. Er hat mit Lewin gesprochen und ihm seine Not geklagt.«
    »Er verklagt mich überall.«
    »Das sagt er auch von dir. Und nun höre mich an, Maline, und wirf nicht den Kopf. Wir waren immer gute Freunde; so laß dir raten und sei nicht eigensinnig.«
    Aber ehe Renate weitersprechen konnte, barg Maline den Kopf in ihrer Herrin Bettkissen und fing heftig an zu schluchzen.
    »Und nun wirst du gar noch weinen! Aber weine nur. Es ist das erste Zugeständnis, daß du unrecht hast und daß der kleine Trotzkopf es nur noch nicht eingestehen will.«
    »Er hat mir meine Armut vorgeworfen.«
    »Nein, das hat er nicht. Er hat dir deinen Hochmut vorgeworfen. Und da hat er recht. Und er hat auch recht in allem, was er von euch Kubalkoschen Mädchen sagt. Das ist ein ewiges Nasenrümpfen und Vornehmtun von dir und der kleinen Eve drüben, und das lassen sich die Bauern nicht gefallen. Ihr wollt beide wie Stadtmädchen sein.«
    Maline nickte.
    »Und was hättest du denn in der großen Stadt? Ein bißchen Putz und ein paar Anbeter mehr. Aber was käme für dich dabei heraus? Ein städtisches Elend und eine Stabstrompeter oder Kassenbotenfrau. Nein, Maline, bleib in Hohen-Vietz; es ist ein Glück, das du machst; sind doch die Scharwenkas die reichsten Leute im Dorf, und nicht die schlechtesten. Und er liebt dich und kann nicht von dir los, trotzdem er eigentlich möchte. Und siehe, das ist so recht die Liebe, wie ich sie mir auch immer gewünscht habe, daß man einen vor Ärger umbringen und zugleich vor Sehnsucht totküssen möchte.«
    »Wie gut Fräulein Renate das alles beschreiben können. Aber
er
muß kommen.«
    »Nein, du mußt kommen.«
    Maline seufzte. Dann aber plötzlich bedeckte sie Renatens Hand mit Küssen, und aufatmend, als ob eine große Last von ihr genommen wäre, sagte sie: »Wie leicht mir wieder ums Herz ist! Ach, Fräulein, Fräulein, er ist ja doch der beste Mensch von der Welt. Und es ist auch hübsch von ihm, daß er sich nicht alles gefallen läßt. Ein Mann muß doch ein Mann sein. Und eigentlich kann ich ihn ja doch um den Finger wickeln.«
    Es schlug sieben, und Maline erhob sich, um der Kranken ihre Medizin zu geben.
    »Doktor Leist hat recht; es schmeckt wie eine Doppellimonade. Und nun hole mir noch ein paar Kalvillen. Hier schräg unter uns aus dem alten Saal. Aber nimm den Wachsstock und sieh dich vor

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