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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zurückgeblieben.
    »Wie gut, daß du kommst, liebe Schorlemmer. Ich habe eine rechte Sehnsucht nach dir gehabt. Du mußt ein bißchen mit mir plaudern. Aber erst gib mir deine Hand; so – und nun gib mir zu trinken.«
    »Gott, wie du fieberst, Kind. Man darf euch auch keine halbe Stunde allein lassen. Und ich mußte doch die Hasen spicken. Auf Stinen ist kein Verlaß; das nennt sich Köchin und weiß kaum, daß der Hase sieben Häute hat. Nun trink, mein Renatchen. Ich werde noch einen Löffel Himbeeressig hineintun; das kühlt. Hast du denn auch eingenommen?«
    Renate leerte das Glas, das ihr Tante Schorlemmer gereicht hatte, und sank dann erschöpft in ihre Kissen. Aber die Angst, die sie bis dahin beherrscht hatte, war doch von ihr gewichen, und als ob sie plötzlich im Schutze guter Geister sei, sagte sie ruhig: »Glaubst du an Gespenster?«
    »Dacht ich's doch. Hat die Maline wieder nicht reinen Mund halten können. In der Küche plappert das auch den ganzen Tag schon. Und da ist einer wie der andere. Nur den Pachaly hätt ich für gescheiter gehalten. Denn er hält sich zu Uhlenhorst; und das muß man den Altlutherischen lassen, daß sie von solcher Schwachheit und Narrheit nichts wissen wollen. Sie haben eben den Glauben, und der läßt den Aberglauben nicht aufkommen.«
    »Liebe Schorlemmer«, sagte Renate, »du bist so gut, aber einen kleinen Fehler hast du doch. Alles, was dir nicht paßt, das ist für dich nicht da, und wenn es doch da ist, so glaubst du es mit einem guten Spruch aus der Welt schaffen zu können.«
    »Ja, mein Renatchen, das kann ich auch. Mit einem guten Spruch ist viel auszurichten. Und wer an Gott und Jesum Christum glaubt, der fürchtet keine Gespenster.«
    »Du mußt mir nicht ausweichen wollen. Ich will nicht wissen, wer sich vor Gespenstern fürchtet und wer nicht; ich will nur wissen: Gibt es Gespenster?«
    »Nein.«
    »Und doch lebst du hier unter uns, die wir seit hundert Jahren, wie so viele alte Häuser, ein Hausgespenst haben. Wenigstens erzählen es die Leute. Lewin ist überzeugt, daß sie recht haben; du lächelst; nun gut, das soll nicht viel bedeuten. Aber auch der Papa glaubt daran, und du weißt besser als ich, daß er fest im Glauben steht. Es ist keine sechs Wochen, daß wir den Fall mit Krists Wilhelm hatten. Und nun Pachaly! Er ist doch ein verständiger Mann. Ich sage nicht, ja, wo du, nein sagst, aber ich mag wenigstens die Möglichkeit nicht bestreiten.«
    »Ich tue es. Wo es nicht Lug und Trug ist, ist es Sinnentäuschung. Die Toten sind tot.«
    »Laß dir etwas erzählen. Ich fand einmal ein Buch, in dem las ich, daß nichts unterginge und daß an einem bestimmten Tage
alles
wiederkäme, die große und die kleine Welt, Mensch und Tier, auch die sogenannten leblosen Dinge. Ich würde also nicht nur dich wiedersehen und Malinen, auch Hektor und den englischen Buntdruck mit dem gotischen Portal und dem Altar, der dort drüben an der Wand hängt. Und diese durch ein Reinigungsfeuer gegangene Welt, diese verklärte Spiegelung von allem, was je dagewesen ist, würde die Seligkeit sein. Es war ein frommes Buch, in dem ich das alles fand, und ich habe nichts gelesen, das einen tieferen Eindruck auf mich gemacht hätte. Und nun frag ich dich, was ist ein Gespenst anders als ein vorausgesandter Bote dieser verklärten Welt?«
    »Es ist doch, wie ich sage: die Toten sind tot. Und die verklärte Welt, die kommen wird, ist eben keine Welt von dieser Welt. Sie harret unserer, aber nicht hier, nicht in der Zeitlichkeit. Nur einer ist, der wieder unter den Menschen erschienen, das war auf dem Wege nach Emmaus. Aber dieser eine war Christus der Herr, der Sohn des allmächtigen Gottes. Sieh, Renatchen, es muß doch einen Grund haben, daß sich die Gespenster nur an bestimmten Orten finden. In Hohen-Vietz gibt es ihrer, in Herrnhut nicht. Und auch da nicht, wo Herrnhut am Nord- oder Südpol seine Hütten und Häuser baut. Wenigstens
in
diesen Hütten und Häusern nicht. So hab ich es selbst erfahren. In Grönland, rings um uns herum, sahen die Grönländer, die wohl hundert Spuke haben, ihre Gespenster ruhig weiter, aber in unserem Missionshause hat sich keins blicken lassen. Ein Herrnhuter und ein Spuk, das verträgt sich nicht. Und das, mein Renatchen, machen doch die Sprüche, von denen du meinst, daß ich mir einbildete, alles Böse damit aus der Welt schaffen zu können.«
    »Sei wieder gut, Schorlemmerchen. Und zum Zeichen, daß du es bist, erzähle mir etwas von den

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