Vor dem Sturm
von der Langenbrücke, in dem dazumal angesehenen Gasthofe »Zum König von Portugal« abgestiegen. Er gab einige Weisungen an Krist, die sich auf den »Grünen Baum«, wo, wie herkömmlich, das Gespann untergebracht werden sollte, bezogen, und beschloß dann, in zwei Stunden Morgenschlaf alles, was er in der Nacht versäumt haben mochte, nachzuholen. Viel war es nicht, denn er gehörte zu den Glücklichen, denen, wenn die Müdigkeit kommt, Bett oder Brett dasselbe gilt.
Um neun Uhr, er hatte die zwei Stunden pünktlich gehalten, saß er frisch bei seinem Frühstück. Die Stutzuhr tickte, das Feuer im Ofen prasselte, die Eisblumen schmolzen, alles atmete Behagen; Berndt trat an das Fenster und sah geradeaus über den Fluß hin, auf die gotischen, im hellen Morgenschein erglänzenden Giebel des hier noch mittelalterlich gebliebenen Schlosses.
»Das kann nicht über Nacht verschwinden«, sprach er vor sich hin und begann dann, aus der Fensternische zurücktretend, sich mit militärischer Raschheit anzukleiden. Er wählte statt seiner neumärkischen Dragoneruniform, die sich für die Mehrzahl der Visiten, die er vorhatte, wohl am besten geeignet hätte, den roten Frackrock der kurbrandenburgischen Ritterschaft und war eben mit seiner Toilette fertig, als ein eintretender Diener meldete, daß Geheimrat von Ladalinski vorgefahren sei. Berndt nahm Hut und Handschuh, drehte den Schlüssel im Schloß und saß eine Minute später an der Seite des Geheimrats, mit dem er sich brieflich zu gemeinschaftlicher Abmachung einiger Neujahrsgratulationen verabredet hatte.
Der Geheimrat war in Gala. Sie begrüßten sich herzlich, verzichteten aber auf ein eigentliches Gespräch, da der ihnen zunächstliegende Zweck ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Nur die Namen einzelner Minister und Gesandten wurden genannt, bei denen Karten abzugeben waren, bis endlich der Wagen auf die Rampe des an der Ecke des Wilhelmsplatzes gelegenen Johanniterordens-Palais rollte.
In diesem Palais wohnte der Herrenmeister des Ordens, der alte Prinz Ferdinand, zu dem Geheimrat von Ladalinski seit einer Reihe von Jahren beinahe freundschaftliche Beziehungen unterhielt, während Berndt von Vitzewitz, der ihn nur oberflächlich kannte, lediglich den Bruder Friedrichs des Großen in ihm verehrte. Hierin begegneten sich damals viele Herzen, und dem zweiundachtzigjährigen Prinzen wurden Huldigungen zuteil, die bis dahin seinem langen und immerhin ereignisreichen Leben versagt geblieben waren. Er hatte die »große Zeit« mit gesehen und mit durchgekämpft; das gab ihm in diesen Tagen der Erniedrigung ein Ansehen über seine sonstige Bedeutung hinaus, und manche Hoffnung richtete sich an ihm auf. Auch konnt es nicht ausbleiben, daß ihm der Heldentod seines ältesten Sohnes zu Dank und Mitruhm angerechnet wurde. Dieser älteste Sohn war der in Liedern vielgefeierte Prinz Louis, der, die hereinbrechende Katastrophe voraussehend, am Tage vor der Jenaer Schlacht bei Saalfeld gefallen war.
Der alte Prinz, als ihm die beiden Herren gemeldet wurden, war bereit, dieselben zu empfangen, und ließ sie bitten, ihn in seinem Arbeitszimmer erwarten zu wollen. Als sie dasselbe betraten, wurden die Rollen zwischen ihnen dahin verteilt, daß Berndt so weit wie möglich die Konversation führen, der Geheimrat aber nur gelegentlich sekundieren solle.
Das prinzliche Arbeitszimmer schloß die Front des Hauses nach links hin ab und sah mit zweien seiner Fenster bereits auf die Wilhelmsstraße. Es war von größerer Behaglichkeit, als sonst prinzliche Zimmer zu sein pflegen. Dicke türkische Teppiche, halb zugezogene Damastgardinen, Portieren und Lambrequins verliehen dem nicht großen Raume das, was er bei vier Fenstern und zwei Türen eigentlich nicht haben konnte: Ruhe und Geschlossenheit, und das Feuer im Kamin, indem es zugleich Licht und Wärme ausströmte, steigerte den wohligen und anheimelnden Eindruck. An den Fensterpfeilern befanden sich niedrige Bücherschränke und Etageren, so daß Raum blieb für Büsten und Bilder, darunter als bestes ein Landschaftsbild mit Architektur, Schloß Friedrichsfelde, den Sommeraufenthalt des Prinzen, darstellend. Sein eigenes lebensgroßes Porträt, von der Hand Graffs, hing über dem Kamin. Daneben zog sich ein breites Sofa ohne Lehne bis an die nächste Türeinfassung, während ein runder, mit einer alabasternen Blumenschale geschmückter Tisch in den durch das Sofa gebildeten rechten Winkel hineingeschoben war.
Berndt, der sich
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