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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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festgehalten schienen, und schritten dann über einen quadratischen Hof hin, der, von alten und neuen Klostergebäuden, von Klafterholz und Heckenzäunen eingefaßt, einen wunderlich gemischten Anblick von Glanz und Dürftigkeit gewährte. An einer stehengebliebenen Feldsteinmauer entlang, der man nach innen zu eine Art Sommerdach gegeben hatte, lief eine Kegelbahn, auf deren Lattenrinne die Kugeln wie in Schnee eingemauert lagen. In einer der Ecken dieses Schoppens waren Bohnenstangen kreuz und quer zusammengeworfen, während rechts daneben, wo das Klafterholz aufgeschichtet lag, auf einem überragenden Pfeilerstück ein paar Berberitzensträucher standen, die mit ihren tiefroten Beeren über die nachbarlichen, schon gelblich werdenden Ebereschenbüschel spotten zu wollen schienen. Alles das wurde nur im Fluge mitgenommen, und müde des Schauens, aber voller Verlangen nach einem Mittagsmahle, dem übrigens alle, die Jürgaß kannten, mit unbedingtem Vertrauen entgegensahen, stiegen jetzt die Paare einige neben dem Kegelschoppen befindliche hohe Stufen hinauf, die in ein langes, halb aus Feldstein, halb aus Backstein aufgemauertes Gebäude führten: das alte Refektorium.
    Es war eine hohe, halbzerstörte Halle, die nur an ihrem unteren Ende noch ein schützendes Dach hatte. Unter dieser geschützten Stelle war eine lange Tafel gedeckt, an deren einer Schmalseite – und zwar da, wo dieselbe die jenseitige Giebelwand zu berühren schien – ein mächtiges Kaminfeuer brannte, während an den zwei Langseiten hin sechs in Helm und Brustharnisch gekleidete Klosterknechte standen, alle mit Fackeln in der Hand. An jeder Seite drei. Das »Ah!«, das laut wurde, war der eigentlichste Reisemarschallstriumph dieses Tages.
    Die Plätze waren gelegt. Lewin, der sich während des Besuches in der Kirche rascher, als es sonst wohl seine Art war, mit der schönen Matuschka befreundet hatte, saß zwischen dieser und Kathinka. Jürgaß präsidierte. Die hohe Kaminflamme in seinem Rücken, erhob er sich, um ein Wort der Begrüßung zu sprechen.
    »Ich heiße Sie, meine Freunde, willkommen in diesen Räumen, in denen ich selber ein Gast bin.
Wie
sie sich mir erschlossen haben, ist mein Geheimnis. Ob es der Frater Hermannus war, der, seine Weissagungen rezitierend, mich persönlich in Küche und Keller umherführte, oder ob aus näher liegender Zeit der Erbring meiner Vettern, der Bredows, hier seine Wunder wirkte, das eine wie das andere hüllt sich in Dunkel. Genug, wir sind da, und die Tafel ist gedeckt. Und nun, dienende Brüder, an euer Werk!«
    Diese letzten Worte waren an vier zu beiden Seiten seines Sessels stehende Mönche gerichtet, die trotz der besten Absicht, als Lehninsche Zisterzienser angesehen zu werden, doch durchaus in dem Kostüm eines Maskenball-Kapuziners steckengeblieben waren. Sie trugen braune, mit einem Strick umgürtete Kutten, und während einer von ihnen die Humpen mit Werderschem Bier zu füllen, ein zweiter den Wildschweinskopf und dann den Hirschrücken umherzureichen begann, schritten die beiden andern langsam die Halle hinunter bis an die Stelle, wo das Dach fehlte und ein letzter Rest von Tageslicht auf den Fußboden fiel. Hier war eine Falltür aus alter oder neuer Zeit, in die jetzt einer der Fratres, der einen brennenden Kienspan in Händen hielt, hinabstieg, während der andere auf der aufgeklappten Tür stehenblieb und von Zeit zu Zeit neugierig in das Kellerloch hinunterblickte. Bald wurden Flaschen, die, weil sie weder Staub noch Spinnwebe zeigten, nicht lange an dieser Stelle gelagert haben konnten, hinaufgereicht und von dem obenstehenden Bruder in Empfang genommen, der dann mit einer Gewandtheit, an der sich die Jürgaßsche Schule leicht erkennen ließ, die Korke zu ziehen und den golden schimmernden Rheinwein in die grünen Römer einzuschenken begann. Sein Konfrater (der mit dem brennenden Kienspan) war in dem Keller zurückgeblieben. Niemand dachte seiner mehr.
    An der Tafel belebte sich inzwischen die Unterhaltung; die Damen waren ausgelassen, am ausgelassensten aber Lewin, der – nicht unempfindlich gegen das Entgegenkommen der augenscheinlich ein Gefallen an ihm findenden schönen Gräfin – vor allem in dem Bewußtsein glücklich war, sich endlich einmal Kathinka gegenüber in einer anderen Rolle als in der des von ihr verspotteten Träumers zeigen zu können. Ihre Neckereien, in denen sich mehr und mehr ein Anflug von Eifersucht oder verletzter Eitelkeit aussprach, steigerten nur

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