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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Waren
das
fünf Stunden!«
    Damit legte er den vom alten Füllgraf unterzeichneten Quittungsschein auf den Tisch. Jeder von den Bauern nahm das Blatt und sah nach der Unterschrift. Dann sagte Sahnepott: »Und warum es gerade sein eigenes Bataillon sein mußte! Sie haben ja Franzosen genug. Aber das ist solch französischer Kniff. Immer was Apartes. Und grausam dazu.«
    »Sei doch still, Sahnepott«, sagte Kümmritz verdrießlich. »Es kann nicht jeder in die Milchschüssel fallen. Du redst, wie du's verstehst. Apartes! Dummes Zeug. Ein Deserteur wird totgeschossen, das is in der ganzen Welt so. Bei Pirmasens faßten wir auch einen, war auch ein hübscher Junge. Aber was half's ihm? Krieg ist Krieg.«
    Miekley wollte Sahnepott zustimmen, Kümmritz aber, der in Erregung war, ließ ihn nicht zu Worte kommen und sagte nur: »Ich will nichts hören, Miekley. Du bist in die Traktätchen gefallen, und das ist das Allerschlimmste. Uhlenhorst will den Krieg abschaffen, aber der Krieg wird Uhlenhorsten abschaffen. Denn wenn wir erst den Krieg haben, dann spricht er vor leeren Bänken. Und das kann jeden Tag kommen. Ich sag euch, es geht los, und dann wollen wir uns wieder sprechen. Der alte Groß-Quirlsdorfsche hat was vor, und den kenn ich, mit dem ist schlecht Kirschen pflücken, und Uhlenhorst wird ihn nicht anders machen. Landsturm oder nicht, er liest euch die Kriegsartikel vor, und was nicht standhält bei der Fahne, das kommt vors Kriegsgericht. Und was das bedeutet, das wißt ihr.«
    Sahnepott und Miekley schüttelten den Kopf.
    »Schüttelt nur; ich sag euch, es wird ernsthaft; wir erleben was, und hier herum wird es am schlimmsten. Das hab ich aus der alten Prophezeiung. Wißt ihr, was die sagt? Es werden rote Reiter am Himmel ziehen, und die Menschen werden so rar werden, wie die Störche Anno 57 rar waren, wo der große Sturm sie verschlagen hatte, daß man alle fünf Meilen nur einen sah. Und so wie Gott damals seinen Gottesvogel geschlagen hat, so wird er jetzt die Menschen schlagen. Der Frieden aber soll bei Chorinchen geschlossen werden.«
    »Ja«, sagte Krull, »ich hab es auch gelesen letzten Sonntag im Küstrinschen Anzeiger; 's war auf der letzten Seite, wo die kleinen Geschichten stehen und die Rätsel.«
    »Und da steht auch heute die Antwort«, sagte Kniehase und trat vom Fenster her an den Mitteltisch heran. »Wollt ihr's hören?«
    »Ja«, riefen alle.
    »Nun denn:
Antwort auf den Klagepropheten in Nummer fünf des Anzeigers.
«
    »Und was schreibt er?«
    »1812 wird viel Schnee fallen, und in Moskau wird ein großes Feuer sein.«
    »Der macht sich's bequem«, brummte der alte Scharwenka, »der prophezeit ins Vergangene hinein.«
    »1813 aber«, fuhr Kniehase zu lesen fort, »da wird eine Zeit kommen, wie noch keine war auf Erden. Da werden die alten Leute nicht zänkisch und die jungen Mädchen nicht neugierig sein. Die Doktors werden keine Geschichten mehr erzählen und die Richter nur bei Nacht schlafen. Und man wird nur im Herbst Wein machen. Die Reichen werden menschlich und die Bettler werden fleißig sein. Und alle Leute desselben Standes werden sich untereinander lieben.«
    Die Bauern lachten, und Kümmritz sagte: »
Auch
ein Prophet. Einer, der klagt, und ein anderer, der Spaß macht. Aber welcher ist der rechte?«
    »Immer der, der ernst sieht«, meinte Miekley.
    »Nein, Miekley«, sagte Kniehase, »immer der, der heiter sieht. Die Welt geht nicht unter und wir auch nicht.«
    Alle waren einig, daß Kniehase recht habe, sonst sei es gar kein Leben mehr.
    Ein paar von den Bauern schrieben sich noch für ihre Frauen und Töchter die »neue Prophezeiung« ab, Sahnepott aber nahm den jungen Scharwenka beiseite und ließ sich noch von dem Deserteur erzählen. Denn er war derjenige im Kreise, der, weil er der Schwachnervigste war, auch am meisten das romantische Bedürfnis hatte.
    Und dann trennten sie sich.
     
Siebentes Kapitel
     
Frau Hulen schreibt
    Am andern Morgen saßen die Geschwister allein am Frühstückstisch; Berndt war noch immer nicht zurück, die Schorlemmer in der Wirtschaft tätig. Lewin hatte sich sichtlich erholt, sprach aber wenig, so daß Renate froh war, Hoppenmarieken unter der Auffahrt erscheinen und wie gewöhnlich durch Erhebung ihres Hakenstockes andeuten zu sehen, daß sie Briefe bringe. Gleich darauf trat sie denn auch ein, von der Schorlemmer begleitet, und legte Briefe und Zeitungen auf den Tisch. »De een is von Faulstichen«, sagte sie, was sie, da sie nicht lesen

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