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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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konnte, dem Siegel oder irgendeinem andern äußerlichen Zeichen entnommen haben mußte. Und sie hatte recht. Faulstich schickte seine mehrerwähnte Kantate und benutzte die Gelegenheit, da sich nach Guse hin keine medisanten Briefe mehr richten ließen, den unter Handschuhmacher Pfeiffer erfochtenen Sieg der Kirch-Göritzer in einem ironisch pomphaften Bulletin zu verherrlichen. Einzelne Verse unter der Überschrift »Die Schlacht an der Krampe« waren eingestreut. In diesen hieß es:
     
    Und als sie sich den Mut geschärft
    An dem Lebenswasser von Danzig,
    Durchbrachen sie den roten Werft,
    Alle neunundzwanzig.
     
    Und Göritz und sein Vogel Greif
    Kamen in Zorn und Eifer,
    Da wurde König der Than von Feif',
    Unser Handschuhmacher Pfeiffer.
     
    Hoppenmarieken hatte diese Reime noch mit angehört und dabei die Hände gefaltet, als ob es Gesangbuchverse wären. Zuletzt aber, als sie den Namen Pfeiffers hörte, fand sie sich zurecht und sagte: »Joa, diss' Pfeiffer, diss' lütt Humpelbeen. In Schullen säät he ümmer; nu wahren s' em wull övern Kopp tosammensloan.«
    Und damit griff sie nach ihrer Kiepe und stapste wieder aus dem Zimmer hinaus.
    Lewin schob den Brief zurück, der ihn wenig angenehm berührt hatte. »Ganz Faulstich; immer ein Auge für das Lächerliche, und weiter nichts. Kein Einsetzen seiner selbst. Da bin ich doch schließlich mehr noch für Handschuhmacher Pfeiffer. Aber laß sehen, was der andere Brief bringt.«
    Dieser »andere« war ein kleines, auf der Rückseite mit einem Glaube-Liebe-Hoffnung-Petschaft gesiegeltes Viereck, obenauf aber mit einer ziemlich langen, hintereinander fortlaufenden Adresse versehen, die sich durch Rechtschreibung gerade nicht auszeichnete. »Seiner Edelgeboren Herrn Lewin von Vitzewitz, zur Zeit in Hohen-Vietz bei Küstrin; frei.« Lewin glaubte die Schriftzüge oft gesehen zu haben und wußte doch nicht wo. Neugierig erbrach er das Siegel, um nach der Unterschrift zu sehen. »Von meiner alten Hulen!«
    »O lies«, sagte Renate, und die Schorlemmer setzte hinzu: »Das wird uns besser gefallen.«
    »Wer weiß,« meinte Lewin. Aber man hörte seiner Stimme an, daß er desselben Glaubens und seiner Sache ziemlich sicher war. Und so las er:
     
    »Lieber junger gnädiger Herr!
    Es sind jetzt recht schwere Zeiten, wie mir Fräulein Renate von Bohlsdorf her geschrieben hat, damit ich doch wüßte, wo Sie wären. Und das war eine rechte Güte von dem lieben Fräulein.
    Ja, schwere Zeiten sind es, und ich mag gar nicht davon sprechen. Aber das muß ich Ihnen als eine alte Frau doch sagen, es war nichts für Sie. Ich hab es gleich gesehen; sie war wohl schlank wie eine Wespe, aber
die
stechen auch, und dann muß man Erde auflegen, daß der Schmerz vergeht. Und ist es das Herz, dann ist es schlimm. Ja, lieber junger Herr, so war es auch mit Ihnen, daß Ihnen Erde aufgelegt werden sollte. Aber der liebe Gott wollt es nicht und hat anders geholfen, ohne Tod und Sterben, und hat Sie zu einem rechten Glücke aufgehoben.« Bis hierher hatte Lewin gelesen, aber jetzt flimmerte es ihm vor den Augen, und er ließ die Hand sinken, in der er das Blatt hielt.
    Renate nahm es, um statt seiner zu lesen, und wiederholte leise: »Zu einem rechten Glücke aufgehoben.« Dann fuhr sie fort: »Das weiß ich ganz bestimmt. Das hab ich Ihnen angesehen, denselben Tag, als Sie bei mir mieteten und gleich sagten: ›Das finde ich zuwenig, Frau Hulen‹, und mir aus freien Stücken zulegten. Ach, wer so ein Herz für die armen Leute hat, für den hat der liebe Gott auch ein Herz und läßt ihn nicht umkommen, und Sie haben es auch wohl erfahren, was wir letzten Sonntag wieder gesungen haben:
     
    Oft hast du mich gelabet,
    Mit Himmels Brot gespeist,
    Mit Trost mich reich begabet-
     
    Ja, lieber junger Herr, das sind rechte Trostesworte, so recht für arme Leute geschrieben. Und am Ende sind wir alle arm, auch wenn wir reich sind. Sie wissen schon warum.
    Und dieses alles hatt ich Ihnen schreiben wollen, lieber Herr Lewin, wie ich Sie als alte Frau doch wohl nennen darf. Und wenn Sie wieder bei Wege sind, da werden Sie doch wohl wieder bei der alten Hulen wohnen wollen. Das meinte das gnädige Fräulein auch. Und Sie kriegen solche Wohnung auch gar nicht wieder, denn es paßt alles. Der ›Grüne Baum‹ und die Singuhr und die Klosterkirche. Aber von der will ich weiter nicht reden, weil sie so katholisch aussieht.
    Bitte, grüßen Sie das gnädige Fräulein, die so gut ist und an eine alte

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