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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ich hier über der Karte und spiele meinen eigenen Generalquartiermeister. Aber wie! Mehr als dreißigmal bin ich in dieser halben Stunde zwischen Küstrin und Berlin hin- und hergefahren, ohne auch nur drei richtige Wolfsgruben ausfindig gemacht zu haben.«
    »Wolfsgruben?« fragte Berndt und sah dem Alten verwundert ins Gesicht, während Lewin einen Stuhl an die Rückseite des Tisches schob, um wenigstens von obenher auf die vor Bamme ausgebreitete Karte sehen zu können.
    »Ja, Wolfsgruben oder auch Fuchsfallen, wie Sie wollen. Und nun hören Sie mich an. Darin, daß etwas geschehen muß, in
dem
Punkte sind wir einig. Und auch darin, daß es die höchste Zeit ist. Die Marschälle und Corpskommandanten sind fort, alle die großen Namen, aber von den Kleinen stecken noch Hunderte zwischen Weichsel und Oder, und die müssen wir haben. Also ›wegfangen‹ oder, wenn Sie wollen, Wegelagerung, Stellmeiserei. Vor Worten darf man nicht erschrecken, am wenigsten wir; etwas von unserer Ahnen Blut und Metier wird uns doch wohl verblieben sein. Ob man uns, was wir vorhaben, danken wird, ob wir gut damit fahren werden? Das ist freilich die Frage. Ich zweifle fast. Sie kennen meine Ansicht darüber. Das ›Auf-eigene-Hand-Tun‹ ist hierlandes immer ›suspect‹ gewesen, wie Gräfin Schwester gesagt haben würde. Man mag uns oben nicht. Und sie haben auch ganz recht, die Nürnberger Herren, denn man sieht wohl, wo es anfängt, aber nicht, wo es endet.«
    Bamme, der, wenn es die Frage »Hohenzollern contra Quitzow und Genossen« galt, jedesmal zu labyrinthischen Exkursen weggerissen wurde, hatte auch heute wieder den Faden verloren, weshalb Vitzewitz ohne weiteres auf die schwebende Frage zurückgriff. »Also Wolfsgruben.«
    Bamme lachte, zündete den kleinen Meerschaum, der ihm während des Sprechens ausgegangen war, wieder an und sagte: »Ja, Wolfsgruben, Vitzewitz, oder, da das große Wort schon gesprochen wurde: Wegelagerungsetappen, Generalsfallen. Es ist nicht nötig, daß es immer Generale sind. Wir nehmen auch Compagniechefs. Alles, was hineinfällt, ist gut. Nur nicht wählerisch. Da haben Sie die Sache. Aber wollen Sie glauben, Vitzewitz, daß ich auf diesen zehn Meilen auch nur drei solche Generalsfallen hätte herausspintisieren können! Auf Ehre, nicht eine. Und warum nicht? Weil ich ein Havelländischer bin und, zu meiner Schande sei es gesagt, mich in vollen siebzehn Jahren in Barnim und Lebus nicht zurechtgefunden habe. Rathenow, Havelberg, da weiß ich Bescheid, da kenn ich Weg und Steg. Aber was kenn ich hier? Hohen-Vietz und Hohen-Ziesar.«
    »Und Guse.«
    »Ja, Guse. Das wäre nun solche Falle gewesen. Aber weg sind sie.«
    »Wer? was?« rief Berndt.
    »Alles! Die hundert Mann, der Conte und die Kriegskasse. Und das letzte ist das Schlimmste. Vor zwei Stunden, keine dreihundert Schritt vorm Dorf, passierte ich den ganzen Trupp, ihren Geldkasten mitten in der Kolonne. Gescheite Leute. Sie müssen Wind gekriegt haben. Übrigens ein entzückender schwarzer Kerl, dieser Conte. Und wie das schwatzte und parlierte! Ich hätt ihn der Tante noch gegönnt; nichts für ungut, Vitzewitz.« Berndt stampfte mit dem Fuße, nicht um der Tante, sondern um des gescheiterten Coups willen.
    »Ist es doch, als ob es nicht sein sollte«, rief er. »Immer wieder verfehlt, immer wieder hinausgeschoben. Sagen Sie selbst, Bamme, in demselben Augenblicke, in dem wir den Hirsch beschleichen wollen, raschelt es, und er geht wieder ins Weite.«
    »Lassen Sie ihn, Vitzewitz; die Tage wechseln. Eine Karte verliert und die nächste gewinnt. Übrigens wett ich sechs Flaschen Chateau d'Yquem gegen eine Chateau Krach, daß der Conte, trotz seiner wundervollen Augen, nicht drei Meilen weit kommt. Die Generalsfallen sind zwar noch nicht fertig, aber mitunter machen sie sich von selbst. Und was die Gelder angeht, so hab ich den Trost, wenn ein Armeecorps herunter ist, so ist es seine Kriegskasse auch. Und dieser arme Oudinot hat so recht eigentlich die Zeche bezahlen müssen. Also begraben wir's.«
    »Wir werden es müssen«, sagte Berndt. »Geh, Lewin, und sage Kniehase, daß er die Mannschaften läßt, wo sie sind, vor allem die Manschnower und Gorgaster. Wir dürfen sie nicht durch unnützes Hin-und Herziehen widerhaarig machen, sonst fehlen sie, wenn wir sie brauchen.«
    Und als diese Punkte reguliert und im Eifer über Neuzuverfolgendes der Guser Fehlschlag halb schon wieder vergessen war, trat Jeetze ein, um zu melden, daß das Diner

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