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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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»Und so wären wir denn reich, reich in diesen allerärmsten Tagen. Und so gewiß Gott weiß, daß es mich nie nach irdischem Besitz gedrängt hat, so gewiß ist es auch, daß mich dieser Besitz jetzt freut. Ich fühle mich freier. Denn daß ich es euch gestehe, die Not und Drangsale dieser Zeit lagen schwer auf mir, schwerer, als ich es vor euch wahrhaben mochte. Die niedergebrannte Scheune...«
    »... die bauen wir nun wieder auf, Papa.«
    »Und den Saalanbau...«
    »... den nicht«, lachte Renate. »Dazu versag ich, als Erbtochter, die nötigen Mittel. Nein, da machen wir klares Spiel und ziehen den Garten bis vor das Haus, ganz wie drüben in Hohen-Ziesar, und der Graf selber muß uns dabei behilflich sein. Das ist ja seine Passion. Ich bin für Reseda und Levkojen, aber nur als Rabatteneinfassung, und aus der Mitte der Beete wachsen Malven auf. Zimmetfarbene und wie von Atlas, die lieb ich am meisten. Und die beiden Derfflingerkanonen schaffen wir von Guse herüber, nur den Faun lassen wir da, und auf den Damm stellen wir eine Sonnenuhr oder noch lieber eine große schwarze Glaskugel, drin sich die Dorfstraße spiegelt und Hoppenmarieken, wenn sie vorübergeht.«
    »Das läßt sich hören, Renate, und ich sehe, daß du dich schnell in die besseren Tage hineinlebst. Nur deinem eigenen Schloß, als das ich Guse vorläufig ansehe, darfst du, dem alten Hohen-Vietz zuliebe, nichts entführen wollen, und wenn es auch nur die zwei Derfflingerkanonen wären. Wer weiß übrigens, was davon übrigbleibt? Vorläufig sind die Franzosen drüben und nehmen mit, was ihnen gefällt. Wenigstens wenn wir ihnen nicht auf die Finger sehen. Komm, Lewin, daß wir darüber sprechen.«
     
    Berndt erhob sich, Lewin folgte. Sie gingen in das einfenstrige Zimmer, darin Vater und Sohn zu Beginn unserer Erzählung ihr erstes Gespräch über Volksaufstand und endliche Vernichtung der Fremdherrschaft gehabt hatten. Es hatte sich nichts geändert: hier das Sofa und dort das Bild, und an dem breiten Fensterladen die Karte von Rußland mit ihren verschiedenfarbigen Nadeln. Alles wie damals am ersten Weihnachtsfeiertage.
    Der alte Vitzewitz nahm Platz, streckte seinen Fuß, wie er zu tun pflegte, auf den vor seinem Arbeitstische stehenden Schemel und sagte: »Setz dich, Lewin. Ehe wir von anderem sprechen, noch ein Wort über dich. Ich wollt es vor den Frauen nicht ausspinnen. Sie dürfen nicht zuviel davon hören; gleich schwillt ihnen der Kamm. Denn alle wollen herrschen, und es freut sie, daß sie soviel Macht über uns haben. Darin sind sie sich alle gleich und in einer ewigen stillen Verschwörung gegen uns.«
    Lewin sah vor sich hin; Berndt nahm seine Hand und fuhr fort:
    »Es läßt sich leicht sprechen über Schweres, das uns selber nicht mehr drückt oder vielleicht nie gedrückt hat. Ja, es ist so; was dich drückt, Lewin, ist mir erspart geblieben. Aber anderes, anderes! Ich weiß davon und weiß auch: leben heißt überwinden lernen. Den beweglichen Naturen, Naturen wie der deinigen, hat Gott es in solchen Kämpfen am leichtesten gemacht. Und so wußt ich, daß du's überwinden würdest. Was noch fehlt, bringt die Zeit und unsere Zeit rascher als jede andere. Denn alles drängt nach Aktion, und Handeln ist so gewiß das Beste, wie Brüten das Schlimmste ist. Diese Tage werden dich frei machen.«
    »Ich bin es, Papa. Als du vorfuhrst, hatt ich mit Renaten ein Gespräch darüber. Es liegt hinter mir. Was noch fehlt, ist bloß ein Körperliches. Es waren schwere Krankheitstage, und sie wirken noch nach. Weiter nichts. Aber was ist es mit Guse? Du wolltest davon erzählen.«
    »Ja. Und so höre denn. Gestern nachmittag, ich war eben erst aus der Kirche zurück, wo mir Nippler seine Komposition zu der Kantate vorläufig auf der Orgel vorgespielt hatte, als es im ganzen Dorfe hieß: die Franzosen kommen. Und richtig, es war so. Eine Viertelstunde später rückten hundert Mann ein und hielten vor dem Schloß. Sie waren von verschiedenen Regimentern des Oudinotschen Corps und führten eine Kriegskasse mit sich. Als ich an sie herantrat, begrüßte mich ihr Führer, ein schwarzer Italiener, der sich Conte di Rombello nannte. Seiner Charge nach ein Kapitän. Er sprach, um mich einzuschüchtern, von dem ›Hauptcorps‹, das morgen nachrücken werde, und forderte Quartier. Ich zeigte mich sofort bereit (mir hätte nichts Lieberes passieren können) und lud ihn auf das Schloß, wo ich ihm unter den Zimmern desselben die Wahl freistellte. Er

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