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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ordnung in Balance zu bringen. Ich kenn ihn. In Ostpreußen ist die Mannhaftigkeit und in Königsberg ist die Weisheit zu Hause. Daran ist nicht zu rütteln, das ist Paragraph eins. Alles, was sich in den anderen Provinzen findet, wird an dieser Elle gemessen. Auch wir Märker passieren nur so obenhin. Er läßt uns gelten, aber bloß als Rohmaterial. Wir werden abgerichtet für den Dienst, für Armee und Verwaltung, aber aus uns selber sind wir nichts und bedeuten wir nichts. Wir sind unfrei, Werkzeuge, Hofsklaven, Hohenzollernsche Leibtrabanten.«
    Berndt lächelte.
    »Ja, General«, sagte er, während er mit den Fingern der linken Hand leise auf dem Tischtuch trommelte, »bei Lichte besehen, ist es nicht so?«
    »Nein, Vitzewitz, nein. Natürlich, es gibt Ausnahmen, ein paar oder meinetwegen auch viele. Aber das reizt mich eben, daß man über die Pehlemanns, die Medewitz' und Rutzes, die nichts haben als Spieluhren, Gicht und Dummheit, daß man über diese die Vitzewitze und die Bammes vergißt. Hofadel! Bah! Der Jagdjunker von Otterstädt, der den abgeleierten Spruch von ›Jochimken, Jochimken, höde di‹ an seines gnädigen Herrn Kammertüre schrieb, war auch bei Hofe. Leibtrabanten! Unsinn! Frondeurs sind wir, alle oder doch die Besten von uns, und Ab- und Einsetzen, das wäre so unsere Passion, wenigstens die meine. Wann waren die Bammes bei Hofe? Nie. Und die Vitzewitze nicht oft. Wir haben Anno 95 nicht gefragt, und jetzt fragen wir wieder nicht. Man geht zusammen, solang es paßt. Manus manum lavat. Wenn mir wohl wird, wird mir immer lateinisch. Legitimität, Loyalität! Bah! Alles ist Akkord und Pakt und gegenseitiger Vorteil.«
    »Und
Eid
«, sagte die Schorlemmer.
    Bamme zuckte die Achseln.
    »Meine Gute«, fuhr er geringschätzig fort (denn er wußte, daß ihn die Schorlemmer nicht leiden konnte), »wenn es mit den Eiden ginge, so würden die Zinzendorfe die Welt regieren. Ich bezweifle, daß wir dabei gewönnen. Denken Sie sich eine tugendhafte Weltgeschichte. Wenigstens ich für mein Teil möchte sie nicht lesen. Es ist mit den Eiden wie mit den Gesetzen, sie sind nur dazu da, um gebrochen zu werden. Wenigstens die politischen; die Liebeseide nehm ich natürlich aus.«
    Und dabei wandte er sich zu der neben ihm sitzenden Renate und küßte ihr die Hand.
    »Ich weiß, daß Sie scherzen«, sagte diese.
    »Ach, meine Gnädigste«, fuhr Bamme fort, der auf seine Art eine Schwärmerei für Renaten hatte, »ich scherze nicht, ich verfalle nur in meinen alten Fehler, mir die Ohren nicht genau zu berechnen, vor denen ich spreche. Das alles waren Sätze für die Gräfin-Tante, nicht für die schöne Nichte. Ich war in diesem Augenblicke in Guse, nicht in Hohen-Vietz. Pardon!«
    Schon während diese letzten Worte gesprochen wurden, war von der Dorfgasse her ein rasch sich steigerndes Schellengeläute hörbar geworden, und gleich darauf hielt ein Schlitten vor den Flachstufen des Hauses.
    »Nach der Regel müßte das Drosselstein sein«, sagte Bamme und erhob sich halb von seinem Stuhl, um schärfer nach dem Vorplatz hinaussehen zu können. Es war aber nicht Drosselstein, vielmehr traten, zu nicht geringem Staunen Lewins, Hirschfeldt, Grell und Tubal ein und wickelten sich, während letzterer erst zu Vorstellung seiner beiden Reisegefährten, dann zu Entschuldigungen über ihr allseitig unangemeldetes Erscheinen schritt, aus ihren Shawls und Mänteln heraus.
    Berndt, gastlich und zerstreuungsbedürftig, gab seiner Freude über den unerwarteten Besuch – eine Freude, die, wie sich leicht denken läßt, von dem »immer frisches Blut« verlangenden Bamme geteilt wurde – den lebhaftesten Ausdruck; nichtsdestoweniger blieb eine kleine Verlegenheit, die sich bei Lewin und Renaten und mehr noch bei Tubal hinter einem beständigen Hin- und Herfragen, ohne daß die Antwort abgewartet worden wäre, zu verstecken suchte. Ja selbst die Schorlemmer ließ ihre sonstige Ruhe vermissen.
    Inzwischen waren Stühle gerückt worden, und da bei dem ersten Besetzen der Tafel außer dem Seidentopfschen Platz auch noch die Schmalseiten oben und unten frei geblieben waren, so wurde das Tischarrangement keinen Augenblick ernstlich gestört. Es war die Rede davon, einige der Gänge rasch noch einmal wieder erscheinen zu lassen, alle Neuangekommenen aber lehnten auf das bestimmteste ab und erklärten nicht nur, unterwegs eine sehr substantielle Mahlzeit eingenommen, sondern auch, wie der Augenschein zeige, für ihre Ankunft in

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