Vor dem Sturm
Ufer zurück, als sie mit der dem französischen Soldaten eigenen Raschheit sich in ihrer Lage zurechtzufinden und allerlei Hilfen auszukundschaften wußten. Ohne Kommandos abzuwarten, griffen sie nach dem, was der Moment erheischte, und während einige zupackten, um ein paar der am Ufer liegenden Flachboote die Böschung hinab und auf das Eis zu schieben, hatten sich andere der an den Pappelweiden hin aufgestellten Bootshaken bemächtigt, mit denen sie nun auf den brennenden Holzhof zuliefen und oben in die Bohlen- und Bretterlager einhakten, um diese niederzureißen. Es glückte. Viele dieser Bretter waren erst angeglimmt, und sie rasch durch den Schnee ziehend, bis die Flämmchen erloschen waren, schleppten sie sie jetzt über das Eis hin bis wieder in die Mitte des Flusses, wo denselben Augenblick auch ein paar eben eingetroffene Flachboote rasch und geschickt in die Wasserrinne hinabgelassen wurden. In weniger als einer Viertelstunde war die Pontonbrücke fertig, und über dieselbe weg avancierten jetzt die Vordersten, während sich vom Ufer her immer größere Voltigeurtrupps und zuletzt auch geschlossene Grenadiercompagnien in Bewegung setzten. En avant! Und dazwischen am Quai hin und auf dem Eise das Schmettern der Clairons.
Diesseitig aller örtlichen Vorteile beraubt, mußte sich's nun zeigen, wer der Stärkere sei. Der erste Ansturm, der sich gegen die Frankfurter richtete, mißlang; aber ohne durch dieses abermalige Scheitern in die geringste Verwirrung zu geraten, schoben sich die französischen Kolonnen einfach weiter links, wo mehrere nebeneinanderliegende Holz- und Torfkähne ihnen eine vorzügliche Deckung gewährten. Um so vorzüglicher, als die Schiffsrumpfe gerade mannshoch waren, so daß die Angreifer kaum getroffen werden konnten.
Über diese Schiffsrumpfe hinweg entspann sich nun ein Feuergefecht, dessen endlicher Ausgang um so weniger zweifelhaft sein konnte, als die hier stehenden Pikeniere den Kampf nicht nur ohne Deckung führen, sondern, schlimmer als das, auch das feindliche Feuer aushalten mußten, ohne es ihrerseits erwidern zu können. Der Mut der Rutzeschen sah sich hier auf eine harte Probe gestellt. Sie kamen zuletzt ins Schwanken, und da Vitzewitz Anstand nahm, sich an die neben ihm stehenden Drosselsteinschen um Hilfe zu wenden, die bei der immer wachsenden Ausdehnung des Gefechts jeden Augenblick selbst angegriffen werden konnten, entschloß er sich, auf eigene Verantwortung bis an die Torwache zurückzureiten und seine daselbst untätig haltenden Hohen-Vietzer heranzuholen.
Auch Bamme, von seiner Brückenstellung aus, hatte die Rückwärtsbewegung der Rutzeschen Pikenmänner wahrgenommen, und in voller Wut auf sie losjagend, rief er ihnen schon von weitem zu: »Stillgestanden! Gewehr zur Attacke rechts!« Und siehe da, sie gehorchten wirklich, legten die Piken ein und gingen wieder bis halb an die Böschung vor. Aber eben jetzt von links und rechts her einschlagende Kugeln erneuerten nicht bloß das Schwanken, sondern steigerten es noch, und Bamme sah im Nu, daß es unmöglich sein werde, die Rutzeschen en ligne mit den übrigen Compagnien zu halten. Nichtsdestoweniger warf er sein Pferd herum, um wenigstens einen Versuch zu machen, die Weichenden von hinten her wieder vorzutreiben. Und hierbei traf er auf den Protzhagenschen Hornisten, der ängstlicher noch als alle anderen nach Deckung suchte.
»Ins drei Deibels Namen, Horn von Uri, blas!« rief er und hieb mit dem Fischbein auf den verwirrten Hornbläser ein. Dieser, der Macht des Kommandoworts gehorchend, schob, ohne zu wissen, was er tat, sein altes Rutzenhorn zurecht und begann zu blasen, aber, in der Angst seines Herzens, statt des Angriffs-das Rückzugssignal. In diesem Augenblicke (ein Glück für den Protzhagenschen) erhielt die rote Fuchsstute Bammes eine Kugel, so daß diese mitsamt ihrem Reiter zusammenstürzte. Aber mit merkwürdiger Raschheit war der Alte wieder auf, bestieg den Shetländer, den Hanne Bogun in Bereitschaft gehalten hatte, und saß im nächsten Augenblicke wieder fest im Sattel.
»Ah!« sagte er, während er sich behaglich zurechtrückte, und alles Zwanges los, den ihm das »Generalspferd« von Anfang an auferlegt hatte, hatte er nun endlich sich selber wieder. Er schob das Fischbein unter den Sattel und zog den Husarensäbel, den er »Anno 95« geschworen hatte nicht wieder ziehen zu wollen.
Er hatte sich selber wieder, aber auch nichts mehr, denn die gesamte Lage war inzwischen nicht besser
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