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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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keiner rührte sich. Nur Hanne Bogun trat aus Reih und Glied und sah dem General entschlossen, aber frech und widerwärtig ins Gesicht. Er hatte das lange Messer, das ihm bis dahin zur Seite gehangen hatte, mehr nach vorn hin in den Ledergurt geschoben und hielt es mit seiner einen Hand umfaßt.
    Bamme gab dem Jungen einen Jagdhieb und sagte: »Nichts für dich, Hanne«, worauf dieser grinsend zurücktrat, um wieder den Zaum des Shetländers zu nehmen, den er einen Augenblick abgegeben hatte.
    Eine peinliche Pause folgte.
    Endlich hörte man Kniehases Stimme vom rechten Flügel her: »Wenn es sein muß, Herr General...«
    Und es lag etwas in dem Ton und Ausdruck dieser Worte, das eines tiefen Eindrucks nicht verfehlte. Bamme, der mit unter diesem Eindruck war, preßte seine Fuchsstute dicht an die Schulter des athletischen alten Mannes und sagte dann: »Nein, Kniehase, lassen wir's. Es muß
nicht
sein.« Und damit fiel ein Stein von aller Brust. Ein Vorschlag, der schon vorher gemacht worden war, wurde wieder aufgenommen und im Einklange damit beschlossen, die lange Vorstadt ganz zu vermeiden, vielmehr dicht neben derselben hin, im Schutze des sogenannten »Donischberges«, eines mit Werft und Strauchwerk bestandenen Hügelrückens, bis an die Altstadt vorzudringen. Erst hier, am Tore selbst, sollte dann coûte que coûte der Kampf aufgenommen werden.
    Und sofort jetzt, unter Belassung eines den Rückzug sicherstellenden Bataillons am Spitzkruge, wurden alle nötigen Kommandos für den Vormarsch gegeben. Die beiden Barnimschen Bataillone setzten sich über das Plateau hin in Bewegung, um die weiter südlich gelegenen Tore zu gewinnen, während das Bataillon Lebus die mehrgenannte Hügelstraße hinunterrückte. Dicht vor dem »Letzten Heller« bog es nach rechts hin ab und marschierte zunächst in aufgelöster Ordnung, immer zwischen den Windungen des Donischberges hin, auf die ringförmige Esplanade zu, die den Kranz der Vorstädte von der Altstadt trennte.
    Compagnie
Hohen-Vietz
hatte die Tête. Als sie den Platz am Graben erreicht und mit der Raschheit alter Soldaten sich wieder rangiert hatte, setzte sich Vitzewitz an die Spitze der Seinen, zog den Degen und ritt im Galopp gegen die Dammbrücke vor, die, über den Graben weg, auf das alte Lebuser Tor zuführte. Dieses war geschlossen, und durch das obere Gatter fielen einzelne Schüsse. Kümmritz, der schon Anno vierundneunzig als »Kugelfang« gegolten hatte, erhielt einen Streifschuß, gleich darauf einen zweiten, ohne daß seine gute Laune oder die der Zunächststehenden gestört worden wäre; jetzt aber stürzte der Sohn des alten Bauers Püschel zusammen, Kugel durch die Brust, und Vitzewitz, zurückprallend, murmelte vor sich hin: »Der erste Tote.«
    Alles stockte; Schreck und Ratlosigkeit. Es ging nicht weiter.
    In diesem Augenblicke jagte Bamme die lange Kolonne herauf, bis in die Front des Zuges, und mit seinem dicken Fischbein auf die zweiräderigen Karren zeigend, die nach rechts hin in der von ihm Tages zuvor schon wohlbemerkten Torausbuchtung standen, rief er Kniehase zu: »Vier Mann vor! Ich kenn unsere Stadttore; wurmstichig wie Bierpfropfen. Ran! Und weg mit dem Bettel!«
    Und krach, da lag es, und unter Hurra brachen jetzt unsere Vordersten in Alt-Frankfurt ein. Alles vom Feinde floh in die Wache; nur der Posten vorm Gewehr, ein Voltigeur mit einem Spitzbart, hielt noch aus, und Vitzewitz hob eben den Arm, um ihn in Revanche für den Toten, der draußen vor dem Gattertore lag, niederzuhauen, als Hanne Bogun aalglatt an ihm vorbeischoß und den Voltigeur von der Seite her niederstach.
    »Petit crevé!« rief der tödlich Getroffene und sank zu Boden.
    Der Rest des Bataillons rückte nach, und als sich in den nächstfolgenden Minuten alles auf dem Brückendamm und zum Teil auch schon unter dem tiefen Torgewölbe gesammelt hatte, gab Bamme Befehl, daß Compagnie Hohen-Vietz, und zwar unter Befehl Kniehases, als zunächst verfügbare Reserve bei der von ihr erstürmten Torwache verbleiben, Vitzewitz selbst aber (dessen Rats er nicht entbehren mochte) ihn auf dem weiteren Vormarsch in die Stadt hinein begleiten solle. Ebenso Hanne Bogun mit dem Shetländer.
    Kaum daß diese Befehle gegeben waren, als sich auch schon die lange Kolonne nach vornhin in Bewegung setzte: Compagnie Hohen-Ziesar vorauf, dann Lietzen-Dolgelin, dann Rutze mit seinen Pikenieren. Als der letzte Mann vorüber war, warf Bamme seine Fuchsstute herum, gab ihr die Sporen und setzte

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