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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zurücknehmen. Statt dessen maß er seinen Gegner und krähte nur: »Jede Feuer-Assekuranz sagt dasselbe.«
    Nun kam es zum Duell; Hauptmann von Rutze sekundierte. Der Beleidigte schoß Bammen den rechten Ohrzipfel samt dem kleinen goldenen Ohrring weg, den er »Rheumatismus halber« trug. Er ließ sich nun einen neuen Ring durch die stehengebliebene Ohrhälfte ziehen und sah seitdem skurriler aus denn je.
    Eine gewisse Schelmerei, wie zugestanden werden muß, söhnte manchen seiner Gegner mit ihm aus; dazu kam, daß er sich gab, wie er war, und sein eigenes Leben rückhaltlos in den pikantesten Anekdoten aufdeckte. Seine geistigen Bedürfnisse bestanden in Necken, Spotten und Mystifizieren, weshalb er, wie kein zweiter, von allen Sammlern und Altertumsforschern in Barnim und Lebus gefürchtet war. Um seine Tücke besser üben zu können, war er Mitglied der Gesellschaft für Altertumskunde geworden. Feuersteinwaffen, bronzene Götzenbilder und verräucherte Topfscherben ließ er aussetzen und verstecken, wie man Ostereier versteckt, und war über die Maßen froh, wenn nun die »großen Kinder« zu suchen und die Perioden zu bestimmen anfingen. Turgany, wie sich denken läßt, zog den möglichsten Nutzen aus diesen Mystifikationen, und jedesmal, wenn Seidentopf etwas Urgermanisches aufgefunden haben und zum letzten Streiche gegen den zurückgedrängten Justizrat ausholen wollte, pflegte dieser wie von ungefähr hinzuwerfen: »Wenn nur nicht etwa Bamme...«, ein Satz, der nie beendet wurde, weil schon die Einleitung desselben zur vollständigen Verwirrung des Gegners ausreichte.
    Alles in allem war der »General« eine Lieblingsfigur auf Schloß Guse, auch der Hecht im Karpfenteich. Die Gefahren und Unbequemlichkeiten, die sich daraus ergaben, wurden durch das frische Leben, das er brachte, wieder aufgewogen. Es kam nicht in Betracht, daß er über Sittlichkeit seine eigenen Ansichten hatte. Man ließ dies gehen. Die Gräfin schlug jede Kritik darüber mit der Bemerkung nieder: »L'immoralité ouverte, c'est la seule garantie contre l'hypocrisie.«
    Nur den Vitzewitzes, alt und jung, war mit solcher Bemerkung nicht beizukommen; sie verharrten, bei äußerlich leidlicher Stellung zu dem alten Schabernack, in ihrer Abneigung gegen ihn, und Berndt pflegte zu sagen: »Bamme und Hoppenmarieken, das hätt ein Paar gegeben!«
    Neben Bamme, zugleich als sein natürlicher Gegensatz, stand Baron
Pehlemann
, die vierte Figur des Guser Kreises. Was Bamme an Mut zuviel hatte, hatte Pehlemann zuwenig. Daß er der Gräfin dadurch ein kaum geringeres Interesse einflößte als sein encouragiertes Widerspiel, braucht nicht erst versichert zu werden, aber auch der Kreis selbst war weit entfernt davon, dies Manko an Herzhaftigkeit ernstlich zu beanstanden. Am wenigsten die Militärs. Es läßt sich Ähnliches auch heute noch beobachten. Alle Stubenhocker dringen beständig auf »Opfertod«; alte geschulte Soldaten aber, die aus fünfzig Schlachten her wissen, einerseits, welch ein eigen und unsicher Ding der Mut ist, andererseits, welche niedrige Organisation, welch bloßer, wer weiß woher genommener Taumelzustand ausreicht, um ein Heldenstück gewöhnlichen Schlages zu verrichten, alle diese denken sehr ruhig über Bravourangelegenheiten und haben in der Regel längst aufgehört, alles, was dahin gehört, in einem besonderen Glorienschein zu sehen. So kam es, daß Bamme und Pehlemann die besten Freunde waren. Natürlich fehlte es nicht an Hänseleien. Erst einige Wochen vor Beginn unserer Erzählung hatte Pehlemann, der mitunter ein ihn plötzlich überkommendes Zutrauen zu sich selbst faßte, die Versicherung abgegeben: »seine Abneigung gegen Schußwaffen beruhe lediglich auf einer allzu feinen Organisation seines Ohres«, worauf von seiten Bammes mit soviel Ernst wie möglich erwidert worden war: »Gewiß, dergleichen kommt vor; so lassen Sie uns, wie alte Corpsburschen, einen Gang auf krumme Säbel machen; das ist ein stilles Geschäft; Ihr Ohr bleibt unbelästigt. Höchstens hau ich es Ihnen ab.« Solches Schrauben und Aufziehen war an der Tagesordnung, störte aber keinen Augenblick das gute Einvernehmen, da der »Wuschewierer Baron«, wie er in der ganzen Umgegend hieß, bei aller sonstigen Grundverschiedenheit von Bamme, wenigstens
eine
gute Seite mit ihm gemein hatte: er war nicht empfindlich. Auch nicht als Dichter, wozu ihn, seinem eigenen Geständnisse nach, das Podagra gemacht hatte. Er wollte nämlich beobachtet haben,

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