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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Obst zu bringen, Hasenköpfe, Reinetten. Auch Brot und Butter.«
    »Gleich?«
    »Ich bitte darum. Die Herren kommen von Hohen-Vietz.«
    Diese halbe Vorstellung blieb nicht ohne Wirkung, um so weniger, als Tubal, der es in solchen Dingen nicht genau nahm, sich leise gegen Frau Griepe verbeugte. Eine solche Huldigung gefiel ihr, noch mehr der, von dem sie ausging. Sie musterte Tubal mit jenem Blicke suchenden Einverständnisses, in dem, je nachdem, der Reiz und die Widerwärtigkeit Frau Griepes lag, und verschwand dann wieder, ohne die Bitte Faulstichs mit einem »Ja« oder »Nein« beantwortet zu haben.
    Lewin hatte sich inzwischen in dem Zimmer des Doktors umgesehen, das, trotzdem es geräumig war, nirgends Platz und Bequemlichkeit bot. Eine durchweg vorherrschende Unordnung sorgte noch mehr dafür als Anhäufung von Sachen. Auf dem runden Tische nicht bloß, auch auf den umherstehenden Stühlen lagen Schulhefte, Bücher, samt ganzen Haufen durcheinandergeschobener belletristischer Blätter; am buntesten aber sah es auf dem mit einem häßlichen blaugelben Wollenstoff überzogenen Schlafsofa aus, in betreff dessen Faulstich selbst mit nur allzu großem Rechte bemerkt hatte, »daß die Ehrenplätze bereits okkupiert seien«. Nur von der einen Ecke zu sprechen, die sich unmittelbar neben dem Arbeitsschemel des Doktors befand, so stand hier ein rasch beiseite gesetztes Kaffeegeschirr, auf dessen porzellanener Zuckerdose ein eleganter Einband lag. Ein Teelöffel als Lesezeichen. Erfreulicher als dieser Anblick wirkte die kleine Porträtgalerie, die sich in zwei Reihen über der Sofalehne hinzog. Es waren Silhouetten, Kalenderbilder, auch in Gips- oder Wachsmasse ausgeführte Medaillons, die Lewin in ihrer Gesamtheit leicht als einen Parnaß unsrer romantischen Dichter erkannte; die Köpfe der beiden Schlegel, auch Tiecks und Wackenroders traten ihm in ihren charakteristischen Profilen entgegen.
    Er begann eben Fragen an einzelne dieser Bildnisse zu knüpfen und hörte mit Interesse, wie schwer es dem Doktor geworden sei, diese Sammlung in einiger Vollständigkeit herzustellen, als ein Klappern draußen an der Tür die Rückkehr der Frau Griepe verkündete. Sie trat ein, setzte den erbetenen Imbiß, in dem sie einen Haufen Blätter mit wenig verhehlter Geringschätzung beiseite schob, auf den Tisch, ließ dem »Na!« und »Gleich?« ihrer ersten Unterhaltung jetzt ein ebenso kurzes »So« folgen und entfernte sich dann wieder mit jenem überheblichen Gesichtsausdruck, den gewöhnliche Frauen ihrem Opfer nie schenken, wenn sie aus diesem oder jenem Grunde ihre Herrscherrolle momentan mit der Rolle einer Dienerin vertauschen müssen.
    Faulstich atmete auf, er begann ungezwungener zu werden und bat, das durch Frau Griepe Gebotene nunmehr seinerseits auf eine höhere Stufe heben zu dürfen. »Ich bin nicht immer so gut assortiert wie heute«, damit trat er an einen Wandschrank heran, der, einem scheuen Blicke nach, womit Lewin darüber hinstreifte, ein Chaos zu enthalten schien, und kam mit einem ganzen Arm voll Sachen, die sich unschwer als Ziebinger Weihnachtsreste erkennen ließen, an den Tisch zurück. Es waren Gewürzkuchen, Marzipan und eine langhalsige Flasche Maraschino in Originalverpackung. Auch ein paar Spitzgläser brachte er herbei. Aber die Flasche Maraschino war noch nicht geöffnet. Er nahm also ein kleines Karlsbader Messer, an dem sich ein Duodezkorkenzieher befand, und begann zu ziehen. Was sich voraussehen ließ, geschah; der Korkzieher brach ab. Was tun? Er warf das Messerchen beiseite, besann sich einen Augenblick und sagte in ziemlich bedrückt klingendem Scherz: »Ich habe nicht den Mut, die Sanftmut Frau Griepens auf eine letzte Probe zu stellen; wir müssen es anderweitig versuchen.« Und damit setzte er zwei Gabeln ein und zog den Kork.
    Er nahm nun selber Platz, füllte die Spitzgläschen und stieß an auf das Haus Hohen-Vietz. Lewin dankte, Tubal aber ließ »die Arten und Unarten der romantischen Schule« leben. Faulstich war nicht unempfindlich gegen solche Huldigungen und lächelte, während Tubal fortfuhr: »Ich möchte sie, geehrtester Herr Doktor, nicht gern in ein Gespräch über Dinge verwickeln, die Sie abgetan haben; Roma locuta est; aber eine Bemerkung müssen Sie meiner Neugier zugute halten: Haben Sie nicht Novalis auf Kosten Tiecks überschätzt?«
    »Ich glaube kaum«, erwiderte Faulstich, der klug genug war, in solchen Fragen eher ein Lob als einen Tadel zu erblicken; »ich

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