Vor dem Urknall
Gedrucktes stammt aus der Originalquelle):
Ich habe
tiefer ins Weltall geschaut als jeder Mensch vor mir
. Ich habe Sterne beobachtet, deren Licht nachweislich zwei Millionen Jahre brauchte, um die Erde zu erreichen.
Das war eine bemerkenswerte Beobachtung, denn sie zerstörte ausdrücklich jede Möglichkeit einer Erschaffung des Universums vor lediglich 6000 Jahren, dennoch scheint Herschels Einsicht größtenteils ignoriert oder vergessen worden zu sein, selbst von jenen, die Chroniken über das wissenschaftliche Verständnis vom Alter des Universums verfassten.
Katastrophen und allmählicher Wandel
Herschel mag seiner Zeit voraus gewesen sein, aber im Lauf der nächsten hundert Jahre war die wichtigste Veränderung zur Bildung einer vernünftigen Ansicht über das Alter des Universums nicht unbedingt eine spezielle Theorie, sondern eine andere Auffassung von den Ereignissen, die zu der augenblicklichen Form des Universums und der Erde geführt haben könnten. Die Bibel beschreibt urplötzliche Veränderungen. Der Genesis zufolge geschah der Übergang vom Nichts zur Erde in der Form, wie wir sie heute kennen, in einem einzigen Tag. Die Erdoberfläche sollte mit der Sintflut noch einmal drastisch verändert werden. Das waren katastrophale Veränderungen, kein allmählicher evolutionärer Wandel.
Deswegen hielt sich die Vermutung, dass alles, was wir sehen können, auf gewaltige, plötzliche und dramatische Art und Weise in Erscheinung getreten sein musste. Die Wissenschaft jedoch sammelte immer mehr Hinweise darauf, dass in natürlichen Prozessen allmählicher Wandel vorherrscht. Als die Wissenschaftler erstmals eine Erklärung entwickelten, wie Sedimentgestein sich aufschichtete, entdeckten sie keinen plötzlichen dramatischen Wandel, sondern wie sich ganz allmählich eine Schicht über die andere legte. Charles Darwin, der in seinem Frühwerk sowohl Geologe als auch Biologe war, dachte an denselben allmählichen Prozess, als er seine Evolutionstheorie durch natürliche Selektion formulierte. Bei ihm gab es kein plötzliches und dramatisches Auftauchen von Arten, sondern einen sehr langsamen schrittweisen Wandel über viele tausend oder Millionen Jahre hinweg.
Dieser Wandel in der Einstellung zu dem Prozess, durch den Erde und Universum ihre gegenwärtige Form erhielten, hat auch einen starken Einfluss auf kosmologische Vorstellungen. Hielt man einst die Anfänge für katastrophale Ereignisse, wurden sie jetzt als viel gleichförmiger, langsamer und dauerhafter betrachtet. Obwohl dieser Ansatz nach dem «Gleichförmigkeitsprinzip» die Wissenschaft seither dominiert hat, führte uns in letzter Zeit das Verständnis für den Wandel komplexer Systeme – von Malcolm Gladwell als die «Trendwende» oder als der Umkipppunkt bezeichnet, auch häufig illustriert als der Schmetterlingseffekt aus der Chaostheorie – seltsamerweise zu folgender Erkenntnis: Während ein großer Teil des Wandels allmählich und gleichförmig geschieht, ist es sehr leicht, ein komplexes System in einen Zustand zu bringen, wo äußerst geringfügige Modifikationen der Anfangsbedingungen zu einem umfassenden und rasch sich verändernden Ergebnis führen.
Was war zuerst da? Die Erde oder das Universum?
Wegen der Schwierigkeit, kosmologische Tatsachen genauer zu bestimmen, kam es häufiger vor, dass beim Versuch, das Alter der Erde zu datieren, das Alter des Universums aus dem Blickfeld geriet. Für Geologen, die einen direkten Zugriff auf das Material haben, ist die Aufgabe leichter als für Kosmologen. Dieser Umstand führte gelegentlich zu peinlichen Ergebnissen, die das taxierte Alter des Universums geringer erscheinen ließen als die beste Schätzung des Erdalters.
Anfangs war das kein Problem, weil es mit Ausnahme von Herschels weitblickender Beobachtung nur sehr wenige Daten aus astronomischen Quellen gab, die man nutzen konnte, um das Alter des Universums zu berechnen, während gleichzeitig immer mehr Beweise zusammenkamen, die auf ein Mindestalter der Erde verwiesen. Obwohl dies der Fall war, konnte man nichts falsch machen, wenn man ungeachtet des wahren Alters der Erde behauptete, das Universum müsse mindestens genauso alt sein. Als man aus geologischen Studien schloss, die Erde müsse mindestens eine Milliarde Jahre alt sein, ließ sich der Ursprung des Universums ebenfalls auf dieses Alter beziffern.
Selbst bei der Arbeit an weniger eindrucksvollen Projekten als dem Alter des ganzen Universums hat es Widersprüche bei
Weitere Kostenlose Bücher