Vor dem Urknall
diesen jüngeren Sternen, zu denen auch die Sonne gehört, erheblich mehr schwerere Elemente. Solche Sterne scheinen heller und gehören zur Kategorie Population I, während die älteren Sterne mit viel weniger schweren Elementen zur Population II zählen.
Obwohl stufenweise Abweichungen auftreten, gibt es zwischen ähnlichen Sternen der Population I und II eindeutige Helligkeitsdifferenzen, was auf veränderliche Cepheiden genauso zutrifft wie auf jeden anderen Stern. Der von Baade entdeckte Fehler Hubbles bestand in dessen Vermutung, die veränderlichen Cepheiden, die er in der Andromedagalaxie gesehen hatte, seien die gleichen wie die lichtschwächeren, älteren veränderlichen Sterne der Population II , die anfangs benutzt worden waren, um die zuerst in der Milchstraße aufgespürten Standardkerzen zu eichen. In Wirklichkeit waren es aber Population-I-Sterne, die erheblich heller waren, als es Hubbles Mutmaßungen entsprach. Diese Helligkeit erleichterte es Hubble zwar, die Sterne auszumachen, ließ ihn jedoch falsche Schlüsse über die damit verbundenen Entfernungen ziehen.
Sobald sich die Astronomen über die Unterschiede zwischen Sternen der Populationen I und II klar geworden waren, war es relativ einfach, die Abweichungen aus der spektroskopischen Analyse abzuleiten. Deshalb fing Baade jetzt an, die veränderlichen Cepheiden zu überprüfen, und sie fielen auch entsprechend eindeutig in zwei Klassen, von denen die eine rund viermal so hell war wie die andere.
Die Helligkeit des Lichts gehorcht dem sogenannten Gesetz des umgekehrten Quadrats. Sie lässt mit dem Quadrat der Entfernung des Beobachters von der Quelle nach. Warum das so ist, lässt sich leicht erklären. Aus dem Geometrieunterricht erinnern Sie sich vielleicht, dass man die Oberfläche einer Kugel durch die Formel 4 πr 2 erhält. Sie hängt also vom Quadrat des Kugelradius an. So erhöht sich die Fläche um einen Stern, die dadurch definiert ist, wie viel Licht aus ihm hervorgeht, um das Quadrat des Radius, was der Entfernung von der Quelle entspricht. Ist ein Stern viermal heller, als man anfangs glaubte, ist er doppelt so weit entfernt, wie man zunächst vermutete.
Mit dieser neuen Erkenntnis schien die Andromedagalaxie doppelt so weit entfernt zu sein, nämlich 1 , 8 Millionen Lichtjahre. Und das war jetzt der neue Maßstab, mit dem andere galaktische Messungen vorgenommen wurden. Deshalb wuchs das ganze Universum plötzlich um den Faktor Zwei. Da die meisten Astronomen Eddingtons kosmische Abstoßung ignorierten – schließlich war es ja ein wirklich groteskes Konzept –, konnte das Universum jetzt immerhin 3 , 6 Milliarden Jahre alt sein. Das ließ die Erde im Vergleich zum Universum zwar immer noch recht alt aussehen, aber zumindest war jetzt die Peinlichkeit vom Tisch, dass das Kind älter war als die Mutter.
Die Entdeckung des Geburtstags der Erde
Zufällig war damals auch das Alter der Erde falsch bestimmt worden. Geologen mochten es leichter haben als Astronomen, da sie die Erde unmittelbar berühren und untersuchen können. Dennoch war selbst die Beurteilung des Alters bestimmter Steine nicht gerade eine Aufgabe, die man nebenbei erledigen konnte, ganz zu schweigen davon, wenn es um den ganzen Planeten ging. Erst ein Durchbruch in der Physik erlaubte es, das Alter der Erde präzise zu ermitteln.
Der Mann, der den Stein buchstäblich ins Rollen brachte, gehörte zu den überragenden Persönlichkeiten der experimentellen Physik. Ernest Rutherford haben wir bereits durch seinen Spott über das «Briefmarkensammeln» kennengelernt. Er hatte schottisch-englische Eltern und wurde 1871 in Nelson, Neuseeland, geboren. Den größten Teil seiner Laufbahn absolvierte er an den englischen Universitäten Manchester und Cambridge. Doch zur Jahrhundertwende arbeitete er an der McGill-Universität in Montreal. 1902 schrieben er und sein Kollege Frederic Soddy einen Artikel, in dem sie vorschlugen, das neuentdeckte Konzept des radioaktiven Zerfalls könne genutzt werden, um das Alter von Steinen festzustellen.
Marie Curie in Frankreich und andere Forscher hatten entdeckt, dass unterschiedliche Materialien ihre Struktur im Lauf der Zeit verändern. So durchläuft beispielsweise Uran einen radioaktiven Zerfall, der es in Blei umwandelt. Das Tempo der Umwandlung war so beständig, dass man den Zerfall als eine Uhr einsetzen konnte. Hatte man einen Stein, der zur Zeit seiner Entstehung etwas Uran enthielt, ließ sich sein Alter
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