Vor dem Urknall
Materie? Und wie weiß sie, wo sie hinmuss? Die Befürworter des Steady-State-Modells hatten auf die erste Frage eine Antwort parat. Immerhin sollte ja – glaubte man an die Urknalltheorie – jedes bisschen Materie in einem Augenblick in der Zeit ohne einen besonderen Grund für dieses Ereignis geschaffen worden sein. Da nahm sich die Vorstellung, Materie könnte stetig ins Dasein tröpfeln, kaum überraschender aus.
Hoyle stellte sich ein hypothetisches «C-Feld» vor, das für die Erschaffung von Materie verantwortlich war, aber das war nur ein Hilfsmittel. Es gab keinen speziellen Beweis für dieses Feld. Er sagte einfach nur: «Materie tritt ins Dasein, und das C-Feld sorgt dafür, dass es geschieht.» Genauso gut könnte man sagen: «Die Gravitation, die uns auf der Erde hält, wird vom Gravitationsfeld verursacht.» Es ist eine vernünftige Aussage, die uns allerdings nichts Neues über die Gravitation erzählt. Im Gegensatz zum Urknall, der an einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden musste und dafür auch eine Erklärung brauchte, war eine Erklärung für das «Warum jetzt?» beim Steady-State-Modell nicht nötig, weil es ja ständig geschah. So lief es nun mal.
Und was die zweite Frage betrifft: Woher weiß die neue Materie, wo sie erscheinen muss?, bot das Modell des Steady State offenbar eine logische Erklärung an. Selbst die Befürworter des Urknalls akzeptierten zwei Schlüsselelemente, wenn es um die Beschaffenheit des Universums ging. Diese Vermutungen waren sogar nötig gewesen, damit Einsteins allgemeine Relativitätstheorie überhaupt funktionierte. Das Universum musste homogen und isotrop sein.
Homogen und isotrop
Diese Begriffe sind ein klassisches Beispiel dafür, wie Wissenschaftler unergründliche Worte für absolut einfache Konzepte verwenden. Ein isotropes Universum sieht immer gleich aus, egal, in welche Richtung man schaut. Mit Homogenität ist einfach nur gemeint, dass es gleichmäßig zusammengesetzt ist, sodass es nicht darauf ankommt, von wo aus man schaut. Welche Messungen man auch vornimmt, man kommt überall zu den gleichen Ergebnissen, ob es um die Lichtgeschwindigkeit geht oder um die Dichte der Materie. In der Praxis gibt es natürlich gewaltige Unterschiede in der Dichte, zum Beispiel zwischen einem fast leeren Raum und einem Neutronenstern, aber wenn man den Durchschnitt dieser kleinen lokalen Abweichungen auf den Maßstab von Galaxienhaufen überträgt, sieht das Universum ziemlich einheitlich aus.
Bedenken Sie, dass diese beiden wesentlichen Mutmaßungen keinesfalls eine Gewissheit darstellen, obwohl es keinen guten Grund gibt, anders zu denken. Wenn also das Universum homogen und isotrop ist, fällt die Antwort auf die Frage nach dem Steady-State-Modell ziemlich selbstverständlich aus. Materie tritt in den Lücken in Erscheinung, weil sie dort den Raum vorfindet, um ins Dasein zu treten. Und das geschieht überall, weil das Universum homogen und isotrop ist. Darüber hinaus bewältigt Steady State damit ein ernstes Problem, das dem Urknallmodell noch immer anhaftet.
Wenngleich wir die allgemeine Relativität nicht auf das Universum anwenden können, es sei denn, wir vermuten, es sei homogen und isotrop, sagt die Urknalltheorie voraus, es sei vor allem in einer Richtung nicht isotrop, nämlich in der Zeit. Der Urknalltheorie zufolge hat die Dichte des Universums im Lauf der Zeit rapide abgenommen. Die Vergangenheit ähnelt also nicht der Gegenwart. Wenn daher die Dichte im Lauf der Zeit anisotrop ist (das heißt, sie verändert sich, während wir uns durch die Zeit bewegen), warum sollten dann nicht auch andere grundlegende Aspekte des Universums Schwankungen unterworfen sein? So könnte beispielsweise die Lichtgeschwindigkeit zu Beginn des Universums anders gewesen sein (eine Theorie von João Magueijo, die später noch detaillierter beschrieben wird. Er hat vorgeschlagen, die Lichtgeschwindigkeit sei anfangs anders gewesen). Sollte dies der Fall sein, sind alle unsere Vermutungen beim Blick zurück in der Zeit zunichtegemacht, und die zerbrechliche Grundlage für unsere indirekten, die Geschichte des Universums betreffenden Messungen ist zerstört.
Allerdings war das Steady-State-Modell für diejenigen, die nur mit dem Urknall oder mit einem statischen Universum vertraut waren, anfangs ein ziemlicher Schock. Als Hoyle sein lautstarker Verfechter wurde, verteidigte er die Theorie, ähnlich wie Richard Feynman die Quantentheorie verteidigte (wobei er sich
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