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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vielleicht bald fehlen sollte…
    Doch nein, man senkte mich mit einer gewissen Vorsicht hinab auf einen Fußboden, der mir metallisch kühl erschien. Ich wurde lang hingelegt und zu meinem größten Erstaunen entledigte man mich meiner Fesseln. Dann hörten die Tritte um mich her auf und einen Augenblick darauf vernahm ich das sonore Geräusch einer zuschlagenden Thür…
    Hier bin ich also… Wo?… Und befinde ich mich allein?… Ich entferne den Knebel von meinem Munde und die Binde von den Augen…
    Alles um mich ist schwarz… tiefschwarz Nicht der geringste helle Schein, nicht einmal jene unbestimmte Lichtempfindung, die sich das Auge sonst in gänzlich verfinsterten Zimmern bewahrt.
    Ich rufe… rufe wiederholt… Keine Antwort. Meine Stimme wird erstickt, als wenn sie gegen ein für die Fortpflanzung von Tönen ungeeignetes Mittel schallte.
    Dazu ist die Luft, die ich athme, warm, schwer, dick, und meine Lungenthätigkeit wird erschwert, sogar unmöglich werden, wenn die Luft hier nicht erneuert wird.
    Durch das Ausstrecken der Arme überzeuge ich mich von Folgendem:
    Ich befinde mich in einem Raume mit Eisenblechwänden, der nicht mehr als drei bis vier Cubikmeter zu messen scheint. Beim Hingleiten mit den Händen über die Wand bemerke ich, daß diese wie die wasserdichten Scheidewände eines Schiffes mit Nietenköpfen bedeckt ist.
    An einer der Wände scheint mir der Rahmen einer Thür eingelassen zu sein, deren Charniere die sonstige Fläche um einige Centimeter überragen. Diese Thür muß sich von außen nach innen öffnen und durch dieselbe hat man mich ohne Zweifel in dieses enge Behältniß gebracht.
    Das Ohr an die Thür drückend, vernehme ich keinerlei Geräusch. Die Stille ist ebenso absolut wie die Finsterniß… eine seltsame Stille, die nur bei meinen Bewegungen durch den metallischen Klang des Fußbodens unterbrochen wird. Da ist nichts von dem dumpfen Geräusch, das gewöhnlich an Bord von Schiffen herrscht, weder das Rauschen des Wassers längs des Rumpfes, noch das Klatschen des Meeres, wenn die Wellen daran schlagen. Ebensowenig ist von Stampfen oder Rollen etwas zu bemerken, und das hätte doch nicht fehlen dürfen, denn im Becken der Neuze bringt die Fluth stets eine merkbare schaukelnde Bewegung hervor.
    Nun fragt es sich freilich, ob der Raum, in dem ich mich befinde, überhaupt einem Schiffe angehört und ob ich annehmen kann, daß dieses auf dem Wasser des Stromes schwimmt, obwohl ich durch ein Boot fortgeschafft wurde, dessen Fahrt nur eine Minute währte. Dieses Boot konnte ja, statt an einem Schiffe, das es am Fuße des Healthsul-House erwartete, an einer andern Uferstelle wieder angelegt haben. Dann war es ja möglich, daß ich auf der Erde, vielleicht in einer Höhle, niedergelegt worden wäre. Das erklärte doch die völlige Unbeweglichkeit des Behälters. Freilich hat dieser genietete Eisenblechwände und um mich ist der unbestimmte Geruch von salzigem Wasser verbreitet, jener ganz eigenartige Geruch, den die Luft im Innern von Fahrzeugen annimmt und über den ich mich gar nicht täuschen konnte.
    Seit meiner Einsperrung ist meiner Schätzung nach eine Zeit von vier Stunden verflossen. Es muß bald Mitternacht sein. Soll ich bis zum Morgen hier aushalten? Es ist ein Glück, daß ich nach der Anstaltsordnung des Healthsul-House um sechs Uhr gegessen habe. Ich leide nicht von Hunger, sondern neige eher dazu, einzuschlafen. Ich hoffe jedoch die Kraft zu haben, um dem Schlafe zu widerstehen… nein, ich lasse mich nicht davon überwältigen. Ich muß mich wieder mit etwas von der Außenwelt beschäftigen. Womit aber?… Kein Ton, kein Lichtstrahl dringt in diesen Eisenkasten. Doch Achtung! So schwach es auch sein mag, vielleicht schlägt mir doch ein Geräusch ans Ohr. Im Gehörsinn drängt sich jetzt meine ganze Lebenskraft zusammen. Dazu achte ich auch immer – für den Fall, daß ich nicht auf festem Lande bin – auf eine Bewegung, ein Erzittern, das ja nicht ausbleiben kann. Angenommen, das Schiff liege noch vor Anker, so muß es sich doch bald zur Abfahrt rüsten, sonst… sonst könnt’ ich nicht begreifen, warum Thomas Roch und ich entführt worden wären.
    Endlich!… Es ist also kein Irrthum, ich fühle eine leichtes Wiegen und befinde mich also nicht auf dem Lande. Ich bemerke freilich keinen Stoß, keinen Ruck. Es ist eher ein sanftes Hingleiten über die Wasserfläche.
    Doch ich will in Ruhe nachdenken. Ich befinde mich an Bord eines der Fahrzeuge, die in der

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