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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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erzielen?…
    Nun, binnen einiger Stunden werd’ ich ja wissen, um welche Art von Navigation es sich handelt, die in einem vollkommen homogenen Mittel vor sich geht.
    Uebrigens ist es nicht weniger auffallend, daß auch von einem Rollen oder Stampfen des Fahrzeugs kaum etwas zu bemerken ist. Wie sollte es kommen, daß der Pamplicosund so außergewöhnlich still läge? Es genügt für ihn ja doch schon die Gezeitenströmung, um seine Oberfläche merkbar zu erregen.
    Vielleicht ist jetzt aber gerade die Zeit zwischen Ebbe und Fluth, und ich entsinne mich, daß sich der Landwind gestern Abend vollkommen gelegt hatte. Immerhin! Die Sache erscheint mir unerklärlich, denn ein von irgendwelcher Kraft bewegtes Schiff, seine Geschwindigkeit sei nun groß oder klein, muß immer ein gewisses Erzittern wahrnehmen lassen, und davon bemerke ich keine Spur.
     

    Ich lausche… draußen sprechen Leute… (S. 67.)
     
    Von welch’ peinigenden Gedanken ist mir der Kopf jetzt erfüllt! Trotz des dringlichen Verlangens nach Schlaf, trotz der Erschlaffung, die sich meiner in dieser erstickenden Luft bemächtigt, bin ich entschlossen, dem Schlummer zu widerstehen. Ich werde bis zum Tagesanbruch wach bleiben, und doch kann es für mich ja nicht Tag werden, ehe nicht Licht von außen in diesen Behälter dringt. Vielleicht genügt dazu noch gar nicht, daß sich die Thüre öffnet, sondern wird es nöthig, daß man mich aus diesem Loche befreit, mich nach dem Verdeck bringt…
    Ich lehne mich in eine Ecke der Eisenwände, denn es fehlt mir sogar ein Stuhl, um mich niedersetzen zu können. Da ich aber in den Lidern bleierne Schwere fühle und mich eine wirkliche Schlafsucht erfaßt, spring’ ich wieder auf. Jetzt packt mich der Zorn, ich schlage mit der Faust gegen die Wände, ich rufe… Vergeblich!… Meine Hände werden durch die Nietköpfe der Metalltafeln verletzt und meine Rufe bringen niemand herbei.
    Nein, das ist meiner unwürdig! Ich habe mir gelobt, mich zu mäßigen, und jetzt, gleich zu Anfang, verliere ich schon alle Selbstbeherrschung und benehme mich wie ein Kind.
    Mit Sicherheit beweist das Fehlen jedes Rollens und Stampfens, daß das Fahrzeug die offne See noch nicht erreicht hat. Sollte es etwa, statt über den Pamplicosund zu steuern, gar die Neuze hinausfahren? Doch nein; wem könnte es in den Sinn kommen, sich ins Innre der Grafschaft zu begeben? – Als Thomas Roch aus dem Healthsul-House entführt wurde, geschah es ohne Zweifel in der Absicht, ihn nach außerhalb der Vereinigten Staaten, wahrscheinlich nach einer weltverlassnen Insel oder nach irgend einem Punkte der Alten Welt zu schaffen. Unser schwimmendes Bauwerk kann also den ziemlich kurzen Lauf der Neuze stromauf nicht gehen… Wir treiben jetzt auf dem Wasser des Pamplicosundes, der ausnahmsweise ganz ruhig ist.
    Ist das Fahrzeug erst ins freie Wasser gekommen, dann kann es Schwankungen durch den Wellenschlag nicht entgehen, der ja seine Wirkung, selbst bei völlig abgeflauter Brise, auch auf große Schiffe äußert. Ich müßte mich denn gerade an Bord eines Kreuzers oder eines ganz tief gehenden Panzerschiffs befinden, und das ist doch kaum anzunehmen.
    In diesem Augenblick scheint es mir, als ob… wahrhaftig, ich täusche mich nicht… im Innern entsteht ein Geräusch… ein Geräusch von Schritten… die Schritte nähern sich der Eisenblechwand, in der sich die Thür zu meiner Kammer befindet. Das sind jedenfalls Leute von der Besatzung… Wird sich diese Thür endlich öffnen?… Ich lausche… draußen sprechen Leute… ich vernehme ihre Stimmen… ich kann sie aber nicht verstehen. Sie bedienen sich einer mir unbekannten Sprache… Ich rufe… ich schreie… Keine Antwort!
    Es gilt also zu warten, zu warten, immer noch zu warten! Ich wiederhole mir dieses Wort… es hämmert mir im Kopfe, wie der Klöppel einer Glocke
    So sei es versucht, die Zeit abzuschätzen, die bis jetzt verstrichen ist.
    Ich kann sie, seit das Schiff abgefahren ist, auf nicht mehr als vier bis fünf Stunden berechnen. Meiner Schätzung nach muß Mitternacht vorüber sein. Leider kann mir meine Uhr inmitten der tiefen Finsterniß nichts nützen.
    Sind wir aber schon fünf Stunden unterwegs, so muß das Schiff aus dem Pamplicosund heraus sein, es mag nun den Ocracoke-oder den Hatteras-Inlet zur Durchfahrt benutzt haben. Ich glaube also, daß es sich, etwa eine gute Seemeile von der Küste, auf dem Meere befindet. Und dennoch keine Bewegung vom Seegange oder einer

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