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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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freier Luft, die ich mit Wollust einsauge! Man hat mich aus dem erstickenden Kasten befreit und auf das Deck des Fahrzeugs gebracht. Als ich sofort den Horizont mit dem Blicke musterte, konnte ich nirgends mehr Land sehen… Nichts als die Kreislinie, die Meer und Himmel verbindet.
    Nein… vom Festlande im Westen ist keine Spur mehr wahrzunehmen, nichts von der Küste, wo das Uferland Nordamerikas sich auf Tausende von Seemeilen ausdehnt!
    Augenblicklich ist die Sonne übrigens im Sinken und sendet nur noch schräge Strahlen auf den unermeßlichen Ocean. Es muß gegen sechs Uhr abends sein. Ich sehe nach meiner Uhr… richtig, sechs Uhr dreizehn Minuten.
    In der Nacht zum 17. Juni ist nun Folgendes vorgegangen:
    Ich wartete, wie gesagt, darauf, daß die Thür meines Behälters sich öffnen sollte und war fest entschlossen, nicht wieder in Schlaf zu fallen. Ich zweifelte nicht, daß es damals schon wieder Tag wäre, doch verging die Zeit weiter, ohne daß jemand kam. Von dem mir zur Verfügung gestellten Mundvorrath war kaum noch etwas übrig, und ich begann von Hunger zu leiden, wenn auch nicht von Durst, denn ich hatte noch etwas Ale übrig gelassen.
    Seit meinem Erwachen bewies mir das leise Zittern des Rumpfs, daß sich das Schiff wieder in Bewegung befand, nachdem es seit dem Abend vorher – wahrscheinlich in einer einsamen Bucht am Ufer – still gelegen haben mochte, denn ich hatte nichts von den Stößen bemerkt, ohne die es beim Vorankerlegen nicht abgeht.
    Es war also um sechs Uhr, als hinter der Metallwand des Behälters Schritte hörbar wurden. Wollte jemand eintreten?… Ja. Das Schloß knarrte und knirschte, und die Thür ging auf. Der Schein einer Schiffslaterne verdrängte die Finsterniß, in der ich seit meiner Ueberführung an Bord geschmachtet habe.
    Zwei Männer erschienen, die ich näher zu betrachten keine Muße fand. Die beiden Männer packten mich an den Armen und verhüllten mir den Kopf mit einem Stück dichten Stoffes, so daß ich nicht das geringste sehen konnte.
    Was bedeutete diese Vorsicht?… Was wollte man mit mir beginnen?… Ich versuchte mich zu wehren. Da hielten sie mich nur noch fester… Ich richtete eine Frage an sie, erhielt aber keine Antwort. Die Leute wechselten nur unter sich ein paar Worte, doch in einer Sprache, die ich nicht verstand und deren Abstammung ich nicht errathen konnte.
    Offenbar machte man mit mir wenig Umstände. Freilich, um eines Narrenwärters willen… warum sollte man sich wegen einer so unbedeutenden Persönlichkeit genieren? Ich weiß indeß nicht, ob sich der Ingenieur Simon Hart einer bessern Behandlung zu erfreuen gehabt hätte.
    Diesmal wurde mir der Mund jedoch nicht verschlossen, und auch Arme und Beine blieben ungefesselt. Man begnügte sich damit, mich ordentlich fest zu halten, und entfliehen konnte ich hier ja doch nicht.
    Gleich nachher werd’ ich aus dem Behälter herausgeschleppt und durch einen sehr engen Gang gestoßen. Dann ertönen unter meinen Füßen die Stufen einer metallnen Treppe. Endlich schlägt mir frische Luft ins Gesicht und ich athme voll Begierde…
    Hierauf hebt man mich empor und setzt mich auf einem Fußboden nieder, der diesmal nicht aus Eisenplatten bestand und wohl das Verdeck eines Schiffes sein mußte.
    Endlich lassen die Arme, die mich hielten, los. Ich bin nun Herr meiner Bewegungen. Ich reiße das Stück Stoff, das mir den Kopf verhüllt, herab und blicke um mich her…
    Ich bin an Bord einer Goelette in voller Fahrt, die einen langen Streifen weißen Kielwassers hinter sich läßt.
    Ich mußte eine der Wanten ergreifen, um nicht zu straucheln, so sehr blendete mich das helle Tageslicht nach der achtundvierzigstündigen Einsperrung in völliger Finsterniß.
     

    Ich beuge mich hinaus… sehe nach unten… (S. 75.)
     
    Auf dem Decke bewegen sich etwa zehn Leute von ziemlich grob zugeschnittenem Aussehen hin und her. Alle sind sich sehr unähnlich und ich könnte nicht sagen, welcher Nationalität sie angehörten. Uebrigens lassen sie mich ganz unbeachtet.
    Was die Goelette angeht, dürfte sie, meiner Schätzung nach, zweihundertfünfzig bis dreihundert Tonnen groß sein. Ziemlich breit gebaut, hat sie recht starke Masten und die große Segelfläche muß ihr bei günstigem Winde eine recht erhebliche Geschwindigkeit verleihen.
    Am Hintertheile steht ein Mann mit sonnenverbranntem Gesicht, die Hände an den Griffen des Steuerrades, und hält die Goelette im richtigen Curs.
    Ich hätte gern den Namen des

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