Vor der Flagge des Vaterlands
seit Jahren bei ei-
ner Fabrik für chemische Erzeugnisse in New Jersey ange-
stellt war. Simon Hart zählte 40 Jahre, hatte eine breite Stirn
mit Denkerfalten und ein sicheres Auftreten, das Entschlos-
senheit und Zähigkeit erkennen ließ. In den verschiedenen
Fragen, die mit der Vervollkommnung der modernen Be-
waffnung in Verbindung stehen, sehr bewandert und in-
formiert über die Erfindungen, die deren Wert beeinflus-
sen konnten, kannte Simon Hart auch ebenso gründlich alle
bisher erzeugten Sprengstoffe, deren Anzahl sich am Ende
des 19. Jahrhunderts auf etwa 1.100 belief. Ihm kam es nicht
darauf an, einen Mann wie Thomas Roch erst zu prüfen;
er glaubte an die mächtige Wirkung seines Fulgurators und
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bezweifelte nicht, daß er im Besitz einer Maschine war, die
imstande wäre, die Grundlagen der Kriegführung zu Land
wie zur See, für den Angriff wie für die Verteidigung um-
zugestalten. Da er gehört hatte, daß der Wahnsinn in dem
Mann den Gelehrten noch verschont hatte, daß in diesem
teilweise der Zerrüttung verfallenen Gehirn noch ein heller
Schein, eine Flamme, die Flamme des Genies, aufleuchtete,
beherrschte ihn nur noch der eine Gedanke, daß die fran-
zösische Erfindung, wenn jener sie in einem Anfall einmal
verriet, einem andern Land als Frankreich dienstbar wer-
den könnte. Sein Entschluß stand fest, sich als Pfleger von
Thomas Roch anstellen zu lassen, indem er sich für einen
geläufig französisch sprechenden Amerikaner ausgab. Er
nahm eine Reise nach Europa zum Vorwand, reichte seinen
Abschied ein, wechselte den Namen, die Umstände begüns-
tigten ihn, sein Gesuch wurde vom Direktor genehmigt und
so versah er nun seit 15 Monaten den Pflegedienst bei dem
Patienten von Healthful House.
Dieser Entschluß zeugte von einer seltenen Opferwil-
ligkeit, von edler Vaterlandsliebe, denn es handelte sich für
einen Mann von der Bildung Simon Harts um eine recht
peinliche Dienstleistung. Man vergesse aber nicht, daß der
Ingenieur den Erfinder Thomas Roch nicht um den Vor-
teil aus seinem Geheimnis, wenn dieser es sich entschlüp-
fen ließ, bestehlen, sondern ihm den verdienten Gewinn si-
chern wollte, wenn er die Vernunft jemals wieder erlangte.
Seit 15 Monaten lebte also Simon Hart, oder vielmehr
Gaydon, bei dem Geisteskranken, beobachtete, belauschte
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ihn und richtete sogar bestimmte Fragen an den Armen,
doch ohne daß er irgend etwas erreicht hätte. Hörte er den
Erfinder aber von seiner Entdeckung sprechen, so über-
zeugte ihn das mehr und mehr von ihrer außergewöhn-
lichen Bedeutung. Vor allem fürchtete er freilich, daß der
partielle Wahnsinn Thomas Rochs in allgemeinen Wahn-
sinn ausarten und daß ein heftiger Anfall sein Geheimnis
mit ihm vernichten könnte.
Das war die Lage Simon Harts, das die Aufgabe, der er
sich im Interesse seines Vaterlands widmete!
Trotz so vieler Enttäuschungen und Kränkungen schien
die leibliche Gesundheit Thomas Rochs, dank seiner kräf-
tigen Konstitution, doch nicht gelitten zu haben. Die Ner-
vosität seines Temperaments hielt ihn auch gegenüber so
vielen zerstörenden Einflüssen aufrecht. Von Mittelgröße,
mit mächtigem Kopf, breiter Stirn, gewaltig entwickeltem
Schädel, graugesprenkeltem Haar, mit verstörtem, doch leb-
haftem, festem, gebieterischem Blick, wenn sein vorherr-
schender Gedanke darin einen Blitz aufleuchten ließ, mit
dichtem Schnurrbart unter einer Nase mit beweglichen Flü-
geln, einem Mund mit festgeschlossenen Lippen, als sollten
sie kein Geheimnis herausschlüpfen lassen, mit nachdenk-
lichem Gesichtsausdruck und der Haltung eines Mannes,
der schon lange gekämpft hat und entschlossen ist, auch
noch weiter zu kämpfen . . . so hat man sich den Erfinder
Thomas Roch vorzustellen, der in einem der Pavillons von
Healthful House untergebracht war, ohne davon eine Vor-
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stellung zu haben, und den der Ingenieur Simon Hart unter
dem Namen Gaydon sorgsam überwachte.
2. KAPITEL
Graf d’Artigas
Wer war eigentlich dieser Graf d’Artigas? . . . Ein Spanier? . . .
Sein Name schien darauf hinzudeuten. Am Achter seiner
Goélette stand in goldenen Buchstaben der Name ›Ebba‹,
und der ist rein norwegischen Ursprungs. Hätte man ihn
gefragt, wie der Kapitän der ›Ebba‹ heiße, so würde er ge-
antwortet haben: Spade, und Effrondat der Obersteuer-
mann, und Helim der Koch, alles sehr eigenartige Namen,
die auf
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