Vor der Flagge des Vaterlands
sehr unterschiedliche Nationalitäten der Inhaber
schließen ließen.
Es erschien auch schwierig, aus dem Typus, den Graf
d’Artigas selbst vertrat, einen sicheren Schluß zu ziehen.
Wies auch die Farbe seiner Haut, das tiefschwarze Haar, die
Grazie seiner Haltung auf spanische Abstammung hin, so
zeigte seine Gesamterscheinung doch nicht den Rassencha-
rakter, der den Eingeborenen der iberischen Halbinsel ei-
gen ist.
Er war ein Mann von über mittlerer Größe, kräftigem
Bau und höchstens 45 Jahre alt. Mit seinem ruhigen, fast
hoheitsvollen Auftreten ähnelte er jenen Großen der Hin-
dus, deren Blut mit dem vom malaiischen Archipel ge-
mischt ist. War diese Persönlichkeit auch nicht von kalter
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Natur, so bemühte sie sich doch, so zu erscheinen, zeigte
gebieterische Bewegungen und bediente sich einer kurzen
Ausdrucksweise. Was die Sprache des Mannes und seiner
Leute anging, so bestand sie in einem jener eigentümlichen
Idiome, die auf den Inseln des Indischen Ozeans und der
benachbarten Meere vorherrschen. Brachten ihn seine See-
reisen aber an die Küste der Alten oder der Neuen Welt,
dann drückte er sich mit auffallender Leichtigkeit englisch
aus, wobei nur ein ganz schwacher Anklang an seine fremde
Abstammung zu hören war.
Kein Mensch hätte sagen können, was die Vergangenheit
von Graf d’Artigas war, auf welche Schlangenwege ihn sein
höchst geheimnisvolles Leben geführt hatte, was er jetzt ei-
gentlich war, woher sein sicherlich beträchtliches Vermö-
gen, das ihm als vornehmen Herrn zu leben erlaubte, wohl
stamme, wo er seinen dauernden Wohnsitz oder wenigstens
seine Goélette ihren Heimathafen habe, und kein Mensch
hätte auch gewagt, ihn danach zu fragen, da er sich als we-
nig mitteilsam erwies. Er schien nicht der Mann zu sein, der
sich durch ein Interview, selbst mit amerikanischen Repor-
tern, ausforschen ließ.
Was man von ihm wußte, beschränkte sich auf die Nach-
richten der Zeitungen, wenn diese das Eintreffen der ›Ebba‹
in dem oder jenem Hafen, besonders in einem der Ostküste
der Vereinigten Staaten meldeten. Dahin kam die Goélette
nämlich fast zu bestimmten Zeitpunkten, um sich mit allen
Bedürfnissen für eine längere Seefahrt zu versorgen. Hier
erwarb sie nicht nur Proviant – Mehl, Zwieback, Konser-
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ven, getrocknetes und frisches Fleisch, lebende Rinder und
Schafe –, sondern auch Kleidungsstücke, Werkzeuge, Lu-
xus- und Bedarfsgegenstände aller Art für hohe Preise, die
in Dollars, Guineen oder anderen Münzsorten verschiede-
ner Herkunft bezahlt wurden.
Hieraus ergibt sich, daß, wenn man vom Privatleben des
Grafen d’Artigas auch gar nichts wußte, er doch in den ver-
schiedenen Häfen Amerikas, von denen der Halbinsel Flo-
rida bis zu denen Neu-Englands, recht gut bekannt war. Es
erscheint daher gar nicht verwunderlich, daß der Direk-
tor von Healthful House sich durch das Gesuch von Graf
d’Artigas sehr geehrt fühlte und ihn ehrerbietigst empfing.
Übrigens war es das erste Mal, daß die Goélette ›Ebba‹
im Hafen von New Berne ankerte. Nach der Mündung der
Neuze konnte sie offenbar nur eine Laune ihres Eigentü-
mers geführt haben. Was hätte Graf d’Artigas sonst hier
vorgehabt? . . . Sich zu verproviantieren? . . . Nein, denn im-
grunde hätte er die Hilfsmittel, die ihm andere Häfen, wie
Boston, New York, Dover, Savannah, Wilmington in North
und Charleston in South Carolina boten, im Pamplico-
Sund gewiß nicht vorgefunden. Seine Piaster und Bankno-
ten hätte er im Becken der Neuze, auf dem unbedeutenden
Markt von New Berne, auch kaum gegen Waren umtau-
schen können. Dieser Hauptort der Grafschaft Craven zählt
kaum 5- bis 6.000 Einwohner. Sein Handel beschränkt sich
auf die Ausfuhr von Getreide, Schweinen, Möbeln und eini-
ger Schiffsmunition. Außerdem hatte die Goélette vor we-
nigen Wochen, bei einem 10tägigen Aufenthalt in Charles-
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ton, volle Ladung für eine Reise aufgenommen, deren Ziel
wie immer niemand kannte.
Es stellte sich nun die Frage, ob die rätselhafte Persön-
lichkeit nur mit der Absicht gekommen war, einmal Health-
ful House zu besuchen. Das erschiene ja nicht überraschend,
da diese Anstalt sich eines verbreiteten und wohlverdienten
Rufs erfreute.
Vielleicht bewog Graf d’Artigas auch die Laune dazu,
einmal mit Thomas Roch zusammenzutreffen. Das allge-
meine Bekanntwerden des französischen Erfinders hätte
eine
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