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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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solche Neugier ja gerechtfertigt . . . ein überspanntes
    Genie, dessen Erfindungen die Methoden der modernen
    Kriegsführung umzustürzen versprachen.
    Am Nachmittag stellte sich, seinem Gesuch entspre-
    chend, Graf d’Artigas in Begleitung von Kapitän Spade,
    dem Befehlshaber der ›Ebba‹, am Tor von Healthful House
    ein. Gemäß den erteilten Anordnungen wurden beide so-
    fort eingelassen und zum Privatzimmer des Direktors ge-
    führt.
    Dieser empfing Graf d’Artigas in zuvorkommendster
    Weise und stellte sich ihm zur Verfügung, da er keinem an-
    deren die Ehre gönnen wollte, sein Cicerone zu sein. Graf
    d’Artigas nahm das verbindliche Angebot mit höflichem
    Dank an. Der Direktor prahlte nicht wenig mit seiner den
    Kranken gewidmeten Pflege, einer Pflege, die, wenn man
    ihm glauben durfte, der weit überlegen war, die jene in ih-
    rem eigenen Heim genossen hätten, einer wahren ›Luxus-
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    behandlung‹, wiederholte er öfters, deren Erfolge Healthful
    House seinen verdienten Ruhm erworben hatten.
    Graf d’Artigas hörte ihm zu, ohne sich aus seinem ge-
    wohnten Phlegma bringen zu lassen, und schien sich von
    dieser unversieglichen Ruhmredigkeit interessieren zu las-
    sen, um desto besser das Verlangen zu verhüllen, das ihn in
    dieses Haus geführt hatte. Nach fast einstündigem Zuhören
    und Umherspazieren ergriff er jedoch selbst das Wort.
    »Haben Sie, Herr Direktor, nicht auch einen Kranken
    hier, von dem man in letzter Zeit allgemein viel gesprochen
    und der sogar in nicht geringem Maß dazu beigetragen hat,
    Healthful House die öffentliche Aufmerksamkeit zuzuwen-
    den?«
    »Ah, Sie sprechen wohl von Thomas Roch, Herr Graf ?«
    fragte der Direktor.
    »Ganz recht . . . von jenem Franzosen . . . jenem Erfinder,
    dessen Vernunft etwas angegriffen zu sein scheint.«
    »Sogar sehr, Herr Graf, und vielleicht ist das ein wahres
    Glück. Meiner Ansicht nach hat die Menschheit nichts zu
    gewinnen durch Erfindungen, deren Verwendung nur die
    ohnehin schon so zahlreichen Zerstörungsmittel noch ver-
    mehrt . . .«
    »Sehr klug und weise, Herr Direktor! Ich teile hierin
    übrigens völlig Ihre Meinung. Der wahre Fortschritt liegt
    nicht auf dieser Seite, und ich betrachte die als verderbliche
    Geister, die auf solchem Weg wandeln. Hat jener Erfinder
    denn seine geistigen Fähigkeiten noch nicht vollständig
    verloren?«
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    »Vollständig? . . . O nein, Herr Graf, außer was so die ge-
    wöhnlichen Dinge des Lebens betrifft. In dieser Beziehung
    fehlt es ihm an jedem Verständnis und an jeder Verantwort-
    lichkeit für sein Tun und Treiben. Sein Erfindergenie ist da-
    gegen ganz unberührt geblieben, es hat die geistige Degene-
    ration überlebt, und wenn jemand auf seine, allerdings ganz
    unverständigen Forderungen eingegangen wäre, zweifle ich
    gar nicht daran, daß er eine neue Kriegsmaschine – für die
    ja nicht das geringste Bedürfnis vorliegt – zustandegebracht
    hätte.«
    »Gewiß, kein Bedürfnis, Herr Direktor«, wiederholte
    Graf d’Artigas, dem Kapitän Spade beizustimmen schien.
    »Sie werden darüber übrigens selbst urteilen können,
    Herr Graf. Hier stehen wir vor dem von Thomas Roch be-
    wohnten Pavillon. Ist seine Einschließung auch vom Ge-
    sichtspunkt der öffentlichen Wohlfahrt ganz gerechtfertigt,
    so wird er doch mit aller ihm gebührenden Rücksicht und
    aller Sorgfalt behandelt, die sein Zustand erfordert. Dane-
    ben ist er geschützt vor indiskreten Personen, die es etwa
    darauf abgesehen hätten . . .«
    Der Direktor schloß seinen Satz mit einem sehr bezeich-
    nenden Kopfschütteln, das auf den Lippen des Fremden ein
    kaum bemerkbares Lächeln hervorrief.
    »Wird denn Thomas Roch«, fragte Graf d’Artigas, »auch
    niemals allein gelassen?«
    »Niemals, Herr Graf. Er hat zur dauernden Beaufsichti-
    gung einen besonderen Pfleger, auf den wir uns unbedingt
    verlassen können. Falls ihm dann auf die eine oder andere
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    Weise eine Andeutung entfallen sollte, wird sie augenblick-
    lich bemerkt, und es würde sich dann zeigen, welcher Ge-
    brauch davon zu machen wäre.«
    Bei diesen Worten streifte Graf d’Artigas mit einem
    flüchtigen Blick Kapitän Spade, der durch eine leichte Be-
    wegung sagen zu wollen schien: »Ja, ja, ich verstehe.«
    Wer den genannten Kapitän während dieses Besuchs be-
    obachtet hätte, würde in der Tat bemerkt haben, daß er den
    Teil des Parks, der den Pavillon Nr. 17 umschloß, und die
    Eingänge, die den Zutritt

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