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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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glaubte, im Moment zustande bringen zu können. Sie betrachtete die Hängekörbe mit den dichten Farnen, die Balkontüren rechts und links von ihr, und wieder kam es ihr vor, als würde sie sich in einer anderen Welt befinden. Dank der unbarmherzigen Nachmittagssonne waren die Temperaturen bereits wieder weit über dreißig Grad gestiegen, so daß die Regenpfützen förmlich verdampften, aber hier im Schatten war die Hitze noch einigermaßen erträglich. Dennoch wäre ein Fächer nicht schlecht gewesen, damit hätte sie zumindest besser in die Szenerie gepaßt. Ein Lächeln huschte bei diesem Gedanken über ihr Gesicht, und sie schloß ihre Augen.
    Sie mußte wohl eingedöst sein, denn sie schrak hoch, als ein Tablett auf dem Tischchen neben ihr abgestellt wurde. Darauf befand sich eine Platte mit Schinkensandwiches, ein Teller mit Cookies, zwei Gläser und eine Flasche Rotwein. »Aha, ein Hausmann«, bemerkte sie in einem träumerischen Ton, der verriet, daß sie noch nicht wieder richtig wach war.
    »Geben Sie mir noch keine zu guten Noten«, entgegnete er in diesem gemächlichen Ton, auf den er ein Patent zu haben schien, und nahm auf der anderen Seite des Tischchens Platz. »Die Cookies hab ich in ’ner Bäckerei gekauft, und ein Sandwich kann jeder machen.«
    Sie sah, daß er es sich ein wenig bequemer gemacht hatte. Die Krawatte war weg, und anstelle der schwarzen Anzughose trug er ein paar abgewetzte Jeans. Er war barfuß und trug noch das weiße Hemd, hatte die Zipfel jedoch draußen hängenlassen. Außerdem standen ein paar Knöpfe offen, bis zur Brustmitte, genauer gesagt, einer breiten, haarigen Brust, wie sie bemerkte. Nett.
    Er legte seine Füße auf die Balkonbrüstung und seufzte behaglich. »Ziehen Sie ruhig Ihre Schuhe aus«, forderte er sie auf.
    Sie folgte der Aufforderung prompt, weil ihr der Gedanke, bei diesem Saunawetter barfüßig zu sein, so herrlich erschien. Und sie legte ihre Füße dann ebenfalls auf die Brüstung, da sie annahm, daß ihr Passanten, falls sie überhaupt hochschauten, sicher kaum mehr als ein paar Zentimeter weit unter den Rock schauen konnten. Es war viel zu viel los auf den Straßen, als daß sich jemand Gedanken darüber gemacht hätte, ob sie ein wenig Bein herzeigte oder nicht. Auch ihr entschlüpfte ein behaglicher Seufzer, denn es war ein herrliches Gefühl, die heißen, engen Schuhe endlich los zu sein, die Füße endlich hochlegen und alle Glieder entspannen zu können. Es kam so selten vor, daß sie sich einfach nur hinsetzte und entspannte, daß es ihr wie ein Luxus vorkam.
    Ohne sich aus seiner behaglich zurückgelehnten Haltung zu erheben, streckte Marc einen Arm aus und schenkte geschickt die beiden Weingläser voll. »Essen Sie«, befahl er und wartete, bis sie sich ein Sandwich von der Platte genommen hatte, bevor er sich das zweite schnappte.
    Still kaute sie an ihrem Sandwich, nippte an ihrem Wein und beobachtete die vorbeischlendernden Touristen. Von irgendwoher drangen die fröhlichen Laute einer Marschkapelle an ihr Ohr, und aus einer der Kneipen hörte sie jemanden gekonnt Klavier spielen. Gesprächsfetzen flogen zu ihnen hinauf und untermalten die Atmosphäre dieses Viertels. New Orleans war einzigartig, sie konnte sich keinen anderen Ort vorstellen mit dieser Melange aus Lässigkeit, Gemächlichkeit und Exotik.
    Ihre Füße ruhten wenig entfernt voneinander auf der Balkonbrüstung, und sie studierte sie mit Interesse. Der Unterschied zwischen beiden war erstaunlich. Ihre waren viel kleiner und schlanker, zart geformt, eindeutig feminin. Die seinen waren groß, knochig und am Fußrücken ein wenig haarig: maskulin. Interessant.
    »Wissen Sie, warum Männerfüße so anders aussehen als Frauenfüße?« murmelte sie in träumerischem Ton.
    Er schob seinen linken Fuß herüber, so daß er ihren rechten berührte, legte den Kopf ein wenig schief und beäugte interessiert, was er sah. »Nagellack«, meinte er dann.
    Wäre sie in Reichweite gewesen, sie hätte ihn mit dem Ellbogen geboxt. »Nööö. Das kommt daher, daß sie immer hinter Antilopen und Mammuts herjagen mußten.«
    Er lachte, lachte tatsächlich lauthals, ein tiefes, sonores, köstlich maskulines Lachen, bei dem sie ein genüßliches Kribbeln vom Kopf bis zu den Zehen überlief. »Dann behielten die Damen also ihre zierlichen Füßchen, weil sie nichts weiter tun mußten, als herumspazieren und Beeren sammeln.«
    »Und die Brut mit sich rumschleppen.« Sie wollte ihn noch mal lachen hören.

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