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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Sekunden später begann das Faxgerät zu surren und die geforderten Unterlagen auszuspucken. Hayes schenkte dem Polizeibericht keine Aufmerksamkeit, sondern nahm sofort den Zeitungsartikel zur Hand: »Gestern wurde das Heim von Nathan und Lindsey Hoerske durch ein Feuer zerstört. Der Brand entstand nach Meinung der Experten in der Küche. Die Hoerskes, die das Haus erst vor vier Monaten erworben hatten, waren abwesend, als das Feuer ausbrach.«
    Hayes warf den Artikel beiseite. Man mußte kein Genie sein, um zu wissen, was passiert war: Die Whitlaw hatte das Haus verkauft. Wahrscheinlich hatte Clancy ihre Adresse aus dem Telefonbuch, aber Telefonbücher wurden nur einmal im Jahr neu aufgelegt.
    Er rief Clancy an. Wie immer bekam er nur die Voice Mail dran. Clancys Stimme ertönte, ohne sich zu identifi-
    zieren. »Hinterlassen Sie Ihre Nummer. Wenn ich Sie kenne, rufe ich zurück.«
    »Du hast’s vermasselt«, sagte Hayes, ebenfalls ohne sich mit Namen zu melden.
    »Den Teufel hab ich«, entgegnete Clancy, der das Handy aufnahm, als er das hörte. Er klang stinksauer, denn er war es nicht gewohnt, daß ein Kunde unzufrieden war.
    »Sie hat nicht da gewohnt, du Pfeife. Sie hat das Haus vor vier Monaten verkauft.«
    »Also, da brat mir doch einer... Verdammt, dann hab ich die Hütte ganz umsonst niedergebrannt. Ich hasse das.«
    »Such sie. Und mach’s diesmal gefälligst richtig.«
    Senator Stephen Lake erwartete, der nächste Präsident zu werden; und nicht nur er, auch viele andere. Er und sein älterer Bruder William waren von klein auf auf eine tragende Rolle in der Politik vorbereitet worden, doch nach Williams Tod wurde Stephen der Kronprinz. Die Lakes waren allesamt Richter, Anwälte und Politiker, und Stephen gehörte schon zur vierten Generation, die diesen Pfad einschlug.
    Senator Lake wußte, daß William die erste Wahl seines Vaters war, der Augapfel des alten Mannes, und nach Williams Tod bemühte sich Stephen um so stärker, der perfekte Politiker zu werden, nicht zuletzt, um seinem Vater den Schmerz um den Verlust des Lieblingssohnes ein wenig erträglicher zu machen. Stetig und unbeirrbar beschritt er seinen Karriereweg und baute sich über die Jahre den Ruf eines Mannes mit hochfliegenden und hehren Zielen auf.
    Bewundernswert, dachte Franklin Vinay, doch der Posten des Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Senat, ganz zu schweigen von den damit verbundenen
    Agenturen, wäre in der Hand eines Realisten sicher besser aufgehoben gewesen als in der eines Idealisten.
    Der stellvertretende Direktor der CIA mochte es gar nicht, ins Büro des Senators zitiert zu werden wie ein Schuljunge zum Prinzipal. Er ging trotzdem, und nichts von seinen Gefühlen war ihm anzumerken, als er in dem geschmackvoll eingerichteten Büro Platz nahm. Was ihn im Moment mehr beschäftigte, war die Frage, was den Senator veranlaßt hatte, ausgerechnet im heißen Monat August in die Hauptstadt zurückzukehren; das letzte, was Vinay gehört hatte, war, daß Senator Lake sich für die Ferien auf seinem geliebten Landsitz in Minnesota eingerichtet hatte. Vinays Ansicht nach konnte nur eine Katastrophe nationalen Ausmaßes einen Politiker aus dem Feriendomizil in die sommerliche Hitze von Washington zurücktreiben. Und da er vor jedem Kongreßabgeordneten von einer solchen Katastrophe erfahren hätte, vielleicht sogar vor dem Präsidenten selbst, wußte er, daß dies nicht der Fall war.
    Das machte Senator Lakes Anwesenheit um so merkwürdiger, und Franklin Vinay war ein Mann, der Merkwürdigkeiten immer auf den Grund ging.
    »Kaffee, Frank?« erkundigte sich der Senator und wies auf eine Kaffeekanne.
    »Nein danke. Mir ist heiß genug um diese Jahreszeit, da brauche ich nicht auch noch heißen Kaffee.«
    Der Senator lachte gutmütig und schenkte sich selbst eine Tasse ein, vielleicht um zu beweisen, daß ihm so etwas nichts ausmachte. Vinay mußte lächeln, während er beobachtete, wie sich der Senator einen einzigen Tropfen Milch in den Kaffee tat. Er fragte sich, wie viele Tassen er wohl brauchen würde, bis der Senator der Ansicht war, seiner Männlichkeit Genüge getan zu haben.
    Er fragte nicht, warum ihn der Senator zu sich gerufen hatte. Dafür war Vinay ein viel zu erfahrener Spieler; er wußte um die Macht des Schweigens, das subtile Ringen um Positionen: Zwing immer die andere Seite, zuerst herauszukommen. Wer nicht unüberlegt redet, verrät auch keine Geheimnisse oder gibt irgendwelche Befürchtungen preis. Daß

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