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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die er keinesfalls hätte erhalten dürfen. Schon schnurrten die Rädchen im Gehirn des stellvertretenden Direktors, schon machte er sich Gedanken darüber, wie er den Maulwurf in seinem Department ans Licht bringen - und feuern könnte.
    »War das alles, Senator?« erkundigte er sich höflich. »Ich versichere Ihnen, daß Medina nicht für uns im Einsatz war. Falls Sie mehr Informationen benötigen, bin ich gerne bereit, mir den Fall ein wenig näher anzusehen. Ich rufe Sie dann zurück, sobald ich mehr weiß.«
    »Oh nein, das ist nicht nötig. Ich hatte mir bloß Gedanken gemacht, wegen - nun, Sie wissen ja, wie die momentane Situation in diesem Land ist, wo militante Gruppen nur nach einem Vorwand suchen, um beweisen zu können, daß die Regierung Amok läuft. Ich finde, es ist besser, solche Dinge gleich im Keim zu ersticken, bevor sie sich aufbauschen können.«
    Ein legitimer Einwand, wie Vinay fand, doch was ihn daran störte, war die Art, in der er vorgebracht wurde, fast als hätte der Senator das Ganze zuvor einstudiert. »Ja, Sir«, pflichtete er dem Politiker bei. Etwas stimmte hier nicht; er konnte noch nicht sagen, was es war, aber er vertraute in solchen Dingen seinem Instinkt. Wieso glaubte Senator Lake eine Erklärung für sein Interesse am Fall Medina Vorbringen zu müssen?
    Vielleicht ging es ihm ja gar nicht um Rick Medina. Vielleicht versuchte er in Wahrheit, Informationen über John zu bekommen. Ein plötzliches, heftiges Mißtrauen befiel Vinay. Er konnte sich keinen vernünftigen Grund vorstellen, warum der Senator etwas über John Medina in Erfahrung bringen wollte oder müßte. Unangenehme Gründe dagegen fielen ihm auf Anhieb ein, alles Gründe, denen man nachgehen mußte. Er hatte seinen jetzigen Posten nicht dadurch erreicht, daß er leichtgläubig war.
    Nachdem Vinay gegangen war, saß Senator Lake eine ganze Weile an seinem sündhaft teuren Schreibtisch und rieb abwesend über die auf Hochglanz polierte Oberfläche, während er nachdenklich die Tür anstarrte, durch die Vinay verschwunden war. Etwas sehr Beunruhigendes war während dieses Treffens vor sich gegangen. Es gab zwei Möglichkeiten, und beide gefielen ihm gar nicht. Entweder Hayes irrte sich, oder der stellvertretende Direktor des CIA hatte ihn soeben angelogen.
    Langsam streckte Senator Lake den Arm aus und griff nach dem Telefon, dann tippte er rasch entschlossen die Nummer für seine Privatleitung zu sich nach Hause ein. Schon nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben, und eine vertraute, tiefe Stimme ertönte, die des Senators plötzliche Ängste sofort beruhigte. »Raymond, könntest du den nächsten Flug nach D.C. nehmen? Ich werde dich wahrscheinlich brauchen.«

11
    Den Koffer mühsam hinter sich her zerrend, schloß Karen die Tür zu ihrem Apartment auf. Grimmig und ohne einen Blick auf den Anrufbeantworter zu werfen, weil sie wußte, daß das rote Lichtlein wie ein Warnsignal blinken würde, schleppte sie sich ins Schlafzimmer und packte erst einmal alles aus. Sie nahm sich Zeit dafür, hängte die unbenutzten Sachen in den Schrank zurück und machte aus dem Rest zwei Haufen, einen für die Waschmaschine, den anderen für die Reinigung.
    Sie goß ihre Pflanzen, steckte die Wäsche in die Waschmaschine und rief dann ihre Oberschwester an.
    »Judy, hi, hier ist Karen. Ich bin wieder da und kann heute abend zur Arbeit kommen, falls du mich brauchst.«
    »Falls ich dich brauche?« ächzte Judy Camliffe zutiefst erleichtert. »Marletta fehlt schon seit zwei Tagen wegen ’ner Halsentzündung, und heute hat sich Ashley auch noch krank gemeldet.«
    »Was fehlt ihr denn?«
    »Sie hat den braunen Schnupfen«, das war ihr Codewort für Durchfall, »ja, ich brauche dich. Die Frage ist, kannst du so schnell wieder arbeiten? Ich komm schon irgendwie zurecht heute abend, falls du noch einen Tag brauchst.«
    »Danke«, sagte Karen und meinte es auch so. Judy stand unter einem enormen Druck, um ihre Station am Laufen zu halten, da ihr immer weniger Schwestern zur Verfügung standen, denn auch das Krankenhaus litt unter Personalkürzungen. Vor fünf Jahren waren es noch zwölf examinierte Krankenschwestern auf der chirurgischen Station, vier pro Schicht. Jetzt gab es gerade noch acht, die Judy irgendwie auf drei Schichten verteilen mußte, bei zwei freien Tagen pro Woche für jede Schwester. Es gab Nächte, in denen nur eine Stationsschwester im Dienst war. Man munkelte, daß sie noch vor Jahresende auf Zwölf-Stunden-Schichten

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