Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
Mistkerl Gallari nicht, auch wenn ein Teil von ihr gerade gestorben war.
1. KAPITEL
Ich bin mir nicht sicher, ob ich klug gehandelt habe – oder die größte Dummheit meines Lebens begangen habe.
Heute, 9. November
D er Mistkerl kam zu spät. Ava Spencer verfluchte den Mann, auf den sie wartete. Sie lief im Foyer der Wolcott-Villa auf und ab und schlang immer wieder die Arme um sich, weil sie trotz ihres Mantels fror. Das Haus stand seit Wochen leer. Der Wind, der durch die Stabkreuzfenster pfiff, und die feuchte Kälte nach dem Gewitter, das vorhin durchgezogen war, ließen sie bibbern.
Sie hätte ja die Heizung aufgedreht, nur wäre das zwecklos gewesen. Falls der Kerl sich jemals bequemte, hier aufzukreuzen, würde sie ihm die Villa vom Dachboden bis zum Weinkeller zeigen. Zwar sorgte Jane dafür, dass das obere Wohnzimmer beheizt war, wegen der Gemälde, die noch nicht verkauft oder an Museen ausgeliehen worden waren. Doch es würde bis morgen Mittag dauern, den Rest des Gebäudes warm zu bekommen. Obwohl Ava sämtliche Lampen im Haus eingeschaltet hatte, konnte ihr warmer gelber Schein echte Wärme nicht ersetzen.
Sie musste beinah hysterisch lachen. Als wäre das das Problem. Denn … Es ist nicht irgendein Mann, Ava. Es handelt sich um Cade Calderwood Gallari.
Heiliger Strohsack. Sie konnte nicht fassen, dass sie sich dazu bereit erklärt hatte. Und deshalb konzentrierte sie sich auf jedes Detail, um nicht daran denken zu müssen, was ihr bevorstand. Denn jetzt war es für einen Rückzieher zu spät.
Oder?
Sie hielt inne. Nein, war es nicht! Erleichtert schnappte sie sich ihre Handtasche und ging den Flur entlang zur Küche, vor deren Außentür sie ihren BMW geparkt hatte. Cade kam zu spät? Nun, dann war sie eben weg.
Scheinwerferlicht streifte die östliche Wand gegenüber dem Rundbogen zur Küche. Ava blieb unvermittelt stehen. „Mist.“
Es war also doch zu spät.
Sie tänzelte ein wenig auf der Stelle, um die Anspannung loszuwerden. Vorsichtshalber machte sie noch ein paar Yoga-Atemübungen. Dann stieß sie ein letztes Mal die Luft aus und nickte. „Okay, packen wir’s.“
Sie unterdrückte ihren Ärger über Cades Zuspätkommen und die Tatsache, dass er überhaupt existierte. Es ist dreizehn Jahre her, sagte sie sich. Er ist bloß noch eine Fußnote, jemand, der längst keine Bedeutung mehr hat. Und zwar schon lange nicht mehr. Also brauchte sie ihm auch nicht gleich den Kopf abzureißen.
Aber, oh, was für eine Versuchung.
Sie beobachtete ihn durch das Fenster in der Hintertür, als er die Stufen hinaufkam und unter der Verandalampe stehen blieb. Avas Zorn kehrte mit voller Wucht zurück, und sie musste sich erneut zusammenreißen. Noch einmal atmete sie aus, dann schloss sie die Tür auf.
Der Türknopf drehte sich, ehe sie aufmachen konnte, und Cade wehte herein, schüttelte sich wie ein nasser Hund, dass die Regentropfen von seinen durch die Sonne gebleichten braunen Haaren in alle Richtungen flogen. Ava schaute an ihm vorbei und stellte fest, dass es wieder angefangen hatte zu schütten.
„Mann, ist das nass da draußen!“ Er schenkte ihr sein typisches Gallari-Lächeln, das seine strahlend weißen Zähne zeigte und tiefe Grübchen um seinen Mund entstehen ließ. Nur fiel Ava diesmal noch etwas anderes in seinen blauen, blauen Augen zwischen den dichten dunklen Wimpern auf … Wachsamkeit? Berechnung? Sein Blick war kühler und unsteter als sein Lächeln, das sie jahrelang in ihren Träumen verfolgt hatte.
Es wurmte Ava, dass er noch immer diese Wirkung auf sie hatte. Warum schlug ihr Herz jedes Mal schneller, sobald sie ihn nur sah? Es war die gleiche Reaktion wie damals auf den jungen Cade. Trotz allem, was sie über ihn wusste und was er getan hatte, machte sein Anblick sie benommen.
Aber eher würde die Hölle zufrieren, als dass Ava in Versuchung geriet, dieser Anziehung nachzugeben. Sie musterte ihn skeptisch. „Und du behauptest, in Seattle geboren zu sein?“
„Ich hatte vergessen, wie schnell der Regen einen hier durchweichen kann.“
Sie blieb trotz ihres inneren Aufruhrs höflich. „Das passiert wohl, wenn man in Südkalifornien lebt.“ Ava sah demonstrativ auf ihre Armbanduhr. „Verrate mir doch bitte mal, warum ich mich mit dir abgeben sollte – ganz zu schweigen davon, dir die Villa für einen Dokumentarfilm zu vermieten.“
„Na gut, also kein Small Talk.“ Ein harter Zug entstand um seine Mundwinkel, der sich dort eigenartigerweise wohler zu
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