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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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so laufen wie bisher.
    Den Rest entscheidet das Schicksal. Anders als bisher werde ich dabei nichts erhoffen, was sowieso niemals klappen würde – und selbst wenn, würde es mir meine Zukunft auf einen Schlag vernichten. Keiner würde ihn akzeptieren und mein Studium könnte ich abhaken.
    Das zwischen Jan und mir wird niemals eine Beziehung. Es ist Lichtjahre davon entfernt. Und ich werde mich nicht verlieben. Solange er den jungen Lover für frustrierte Unternehmergattinen spielt und Drogen nimmt, werde ich auch nicht mit ihm schlafen.
    Es wird allerhöchstens ein Abenteuer.
    Das erste meines Lebens.

Feuerwerk im Bauch
    O ch nee«, brumme ich unwillig und bleibe so unvermittelt stehen, dass mir ein junger Mann von hinten auf die Hacken tritt. Seine Entschuldigung ignoriere ich. Bereits als ich losgelaufen bin, war ich genervt, doch jetzt bin ich kurz davor, wieder damit anzufangen, an den Nägeln zu kauen. Schon auf dem Weg zum Dom waren mir die vielen fröhlich plappernden Menschen aufgefallen, die Richtung Festplatz strömten, aber ich hatte es in meinem heutigen Dusel auf den Einbruch des warmen Wetters geschoben – denn das hier ist kein frischer Frühlingsabend mehr. Der Wind riecht nach Sommer, obwohl der Kalender Anfang April zeigt.
    Es ist einer dieser Tage, an denen man nicht begreift, dass der Winter endgültig vorbei ist, und die laue Luft wie einen Angriff empfindet. Gleichzeitig ist es so schön und befreiend, dass man ununterbrochen draußen sein möchte, um es ja nicht zu verpassen. Doch die Luft duftet nicht nur nach all den lockenden Frühsommernuancen, sondern auch nach gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Frittierfett. Außerdem höre ich die Bässe einer der Bands wummern, die heute Abend spielen werden. Das Brunnenfest hat begonnen, wie jeden ersten Freitag im April. Noch nie hatte ich es vergessen. Jetzt überrumpelt es mich, ich fühle mich sogar gestört davon. Und nun? Mein Programm durchziehen, abseits der Menschenmassen? Oder kehrtmachen und eine Woche verstreichen lassen, in der nagenden Ungewissheit, ob ich ihn wiedersehen werde?
    »Ronia, da bist du ja endlich! Wir dachten schon, du …« Wie ich gerade eben bleibt Johanna mitten in der Bewegung stehen und guckt mich rätselnd an, die Hände noch zur Umarmung erhoben. Doch die erspart sie sich. »Wie siehst du denn aus?«
    »Wie man eben aussieht, wenn man joggen geht«, verteidige ich mich errötend. Ja, ich mache mich gerade lächerlich. Ich steche in meiner engen Lauftight und meinen neuen knallblauen Asics-Schuhen aus dem Festvolk heraus wie ein Pfau aus einer Hühnerschar. Im Moment wäre ich gerne ein Huhn. Unauffällig und braun gescheckt.
    »Joggen? Aber wir …« Johanna dreht sich zu Chiara und Suse um, die beide kopfschüttelnd die Schultern heben. Übersetzung: Wir verstehen es auch nicht. »Wieso denn Joggen?«
    »Weil ich jeden Freitagabend laufen gehe, weißt du doch, und ja, ich hab’s vergessen …«
    »Vergessen.« Johanna kann ein gereiztes Schnauben nicht unterdrücken. »Mann, Ronia, das ist unser fester Termin jedes Jahr, Freitagabend Brunnenfest, wie kannst du so was vergessen?«
    Je länger ich hier rumstehe, desto bescheuerter komme ich mir vor. Aber vor allem bin ich sauer. Mir ist, als hätten all die Feiernden meine Hoffnungen zerstört, obwohl ich zu gut weiß, dass ich mir genau diese Hoffnungen untersagt hatte. Aber wenn heute Brunnenfest ist, wird Jan sich sicher auch dort rumtreiben und nicht am Rhein herumstromern und somit …
    »Okay, ich gehe nicht laufen«, entscheide ich rasch und setze ein versöhnliches Lächeln auf. »Gebt mir eine halbe Stunde! Ja?«
    »Gut«, erwidert Johanna erleichtert, wenn auch zögernd. »Können wir uns auf dem Festplatz treffen? Beim Riesenrad? Ich …« Sie senkt ihre Stimme und kommt näher. »Du weißt doch. Riesenrad.«
    »Wow«, raune ich, fühle mich aber gleich noch ein bisschen blöder – und ausgeschlossen dazu. »Glückwunsch.«
    »Ist noch nicht sicher, es entwickelt sich gerade. Aber ich möchte, dass du ihn kennenlernst.«
    Ich habe sofort verstanden, worauf sie anspielt. Es war seit jeher unsere geheime Abmachung: Wenn wir einen neuen Freund haben und es ist Brunnenfest, treffen wir ihn am Riesenrad und die andere gibt ihr Ja, um die Beziehung zu besiegeln. Ein Mädchenpakt aus der siebten Klasse, der uns Glück bringen sollte. Weder Johanna noch ich haben es je geschafft, uns zum Brunnenfest zu verlieben und diese Verliebtheit auch erwidert zu

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