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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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bekommen, es war wie verhext – und jetzt ist es ihr gelungen. Vor mir. Ich kann es kaum glauben. Offensichtlich war ich stillschweigend davon ausgegangen, dass ich die Erste sein würde, der das widerfährt. Es entwickelt sich gerade, hat sie gesagt, also ist es noch nichts Festes. Sie vertraut sich mir dennoch an, wie früher. Könnte ich ihr denn im Gegenzug von Jan erzählen? Können vielleicht, aber will ich es? Nein. Selbst ihr nicht.
    »Bis nachher am Riesenrad«, flüstere ich, nicke den anderen beiden zu und mache kehrt, um zurück zur Wohnung zu laufen, wo ich mich in Windeseile dusche, umziehe und notdürftig schminke. Zu mehr reicht die Zeit nicht. Dennoch hebt sich meine Laune, während ich mich, dieses Mal in langsamerem Tempo und wesentlich unauffälliger, wieder unter die Passanten mische. Es liegt ja durchaus im Bereich des Möglichen, dass Jan auf dem Fest ist – neuer Ort, neues Glück. Es ist sogar noch besser, hier zu sein, als laufen zu gehen, denn ich bin mit meinen Freundinnen unterwegs; niemals kann er mir unterstellen, dass ich ihn meine.
    Und doch meine ich ihn, als ich mich der Altstadt mit ihren vielen Brunnen nähere und in die typischen Festgerüche eintauche. Für ein paar Sekunden vermisse ich das kühle Aroma des Flusswassers und das Tuckern der Frachter, dann ergebe ich mich dem, was ich seit Jahren kenne und eigentlich immer geliebt habe. Johanna und ich haben das Brunnenfest stets als romantisch empfunden, vor allem in der Pubertät. Wir konnten stundenlang am Autoscooter verharren und unsere Traumtypen beobachten oder mit großen Augen zum Riesenrad aufschauen und uns ausmalen, wie wir dort einst mit dem Mann unserer Träume die Sterne zählen. Es wird heute anders sein, ein wenig, aber innerhalb dieses Spiels kenne ich die Regeln.
    Johanna hat Wort gehalten. Meine Freundinnen warten neben dem Zahlhäuschen des Riesenrads auf mich. Unsere Route ist klar: Erst werden wir etwas essen, dann die Schmuckstände abklappern und uns für den Rest des Abends eine der Bands anschauen.
    Jetzt ist es eine richtige Begrüßung, kein verwundertes Starren, und es fühlt sich gut an – erst umarmen Johanna und ich uns, dann die anderen beiden mich, etwas kürzer und weniger herzlich, aber vertraut.
    »Pizza?«, frage ich in die Runde.
    »Pizza«, ist die einhellige Antwort. Johanna lächelt mich scheu an, als ich Chiara und Suse bitte, sich schon mal anzustellen, wir müssten noch was bereden. Es gibt eben Dinge, die gehen nur Johanna und mich an. Sie zieht mich am Jackenärmel ein paar Meter weiter, sodass wir nicht mehr in den Strom der Menschen gedrückt werden und ungestört sprechen können.
    »Und?«, frage ich neugierig. »Ist er da? Hast du ihn herbestellt oder wie hast du das gemacht?«
    »Wir haben uns verabredet, was denn sonst!«
    »Also wird er … er wird dabei sein? Bei uns?«, vergewissere ich mich irritiert. »Aber wir … es ist doch Mädelsabend.«
    »Das hier war nie ein Mädelsabend. Wir waren nur deshalb unter uns, weil wir niemanden hatten. Was ist denn los, passt dir das nicht?«
    »Doch, schon okay, klar.« Nein, nicht okay, es passt mir tatsächlich nicht. Aber es gibt auch keinen Grund, etwas dagegen einzuwenden. Also folge ich Johannas gespanntem Blick, als sie sich umsieht und ihn entdeckt. Ihre Augen leuchten auf und sie beginnt, mit beiden Armen zu winken. Es fehlt nur noch, dass sie auf und ab hüpft, so sehr freut sie sich.
    »Hey, hier sind wir!« Aufgeregt wendet sie sich mir zu. »Das da ist er, der ganz rechts, mit dem grünen Shirt.«
    Bevor ich etwas sagen kann, stürmt sie ihm entgegen, und im gleichen Moment gesellen sich Chiara und Suse samt Pizzastücken dazu, während ich stehen bleibe und mir einzureden versuche, dass ich mich täusche. Doch ich täusche mich nicht. Der Typ in dem grünen Shirt ist Max, einer von Lukas’ Kumpels. Er gehört nicht zu seinen engsten Freunden, aber seine Stimme war die einzige außer der von Lukas, die ich erkannt zu haben glaubte, als mein Ex sich an Silvester über meine Bettqualitäten mokiert hatte. Er und Johanna? Ein Paar? Konsterniert schaue ich dabei zu, wie sie sich zur Begrüßung auf die Wange küssen, nicht auf den Mund, und genau das gibt mir Hoffnung. Es ist nicht zu spät. Dieser Abend läuft zwar gewaltig schief, doch noch lässt sich das Ruder herumreißen.
    So beschließe ich, vorerst zu beobachten und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Während ich ununterbrochen Max’ Blicken ausweiche und

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